Ein Thesenblatt zum allgegenwärtigen Kommunikationsgau
- Ein Berg,
bleibt ein Berg und schön, auch ohne die Information über
diese Tatsache, jemanden vollzuquatschen während er diesen
Ausblick, in inneren Frieden und meditativer Versunkenheit
erlebt, gleicht einer Attacke mit einem Beil, um zu beweisen, das
jenes scharf ist. Fühlt man das Bedürfnis, sich über
diese Schönheit auszulassen, so möge man doch in aller
Stille ein Poem schreiben, es nachher verlesen und so schöne
Augenblicke zart verlängern. Möchte man dennoch seine
Sprachfähigkeit in so einem Erlebnismoment unter Beweis
stellen, wende man sich an einen blinden Mitbürger und lasse
so auch diesen teilhaben.
- Zum Benimm
gehört es unbedingt, sein Handy auszuschalten wenn man in
einem Restaurant sitzt, nichts vergällt ein Gericht mehr als
die grauenhaften Kaskaden bimmelnder Telefone die Beethoven oder
Grieg auf dem Restauranttisch des Gemüts vergewaltigen. Das
gleiche, um die verschiedenen Erlebnisse in Bezug auf Ort und Art
der Vergewaltigung erweitert, gilt für Kinos, Beerdigungen,
Gespräche mit leibhaftig anwesenden Freunden, Sex, usw.
- „Du
weißt was ich meine“ – Gespräche haben
sofort nach diesem Satz beendet zu sein. Wenn ich tatsächlich
weiß was er/sie/es meint, braucht er/sie/es dies nicht
wieder und wieder zu repetieren. Ich ahne schon nach dem ersten
Mal, dass mein Gesprächspartner von einer Person,
Serviceleistung, Bewertung etc. angepisst ist, wenn er diese als
zum Kotzen anpreist. Eine nachfolgende, kurze präzise
Beschreibung erfüllt seinen Zweck.
- Personen, die
nach meinem Wohlbefinden fragen, mich gar nicht erst zu Wort
kommen lassen und sofort ihre Schicksalsgeschichte runterbeten,
mir aber dann nach einer guten Stunde vorwerfen, ich solle doch
auch mal was sagen, bekommen von mir außer eisigem
Schweigen ein paar Schüsse in die Kniescheiben. Erwachsene,
die Kinder anscheißen, man dürfe Personen, die
miteinander Reden, nicht unterbrechen, haben die moralische
Verpflichtung, auch mal eine Sprechpause einzulegen oder sich für
diesen Scheißkommentar zu entschuldigen. Man Ignoriere das
blöde Balg einfach.
- Ich will
nicht wissen wie es um die Verdauung meines Gesprächspartners
steht, außer ich habe ihn bekocht.
- Fragen, deren
Antworten von vornherein keine ehrlichen Antworten erlauben, sind
als Aufforderungen zu Formulieren (z.B.: „Es macht Dir doch
wirklich nichts aus, wenn ich Dir alle Arbeiten übertrage?“
wird zu: „Es hat Dir nichts Auszumachen wenn…“).
Glaube nicht, dass man bei so jemandem auf die Frage „Die
sind doch voll Scheiße, ne?“ antworten darf „Nein
finde ich nicht“ ohne erheblichen Prestigeverlust zu
erleiden.
Diese Liste mag
von jedem gewillten Kommunikationsgeschädigten auf die
restlichen Milliarden von Undingen des menschlichen Zwiegesprächs
ausgedehnt werden.
Stille Grüße
Erik