Sollte ich mir Sorgen machen, dass ich den penetranten
Fischgestank aus dem unter mir liegenden spanischen Weinrestaurant
nicht mehr rieche? Der Gestank muss definitiv im Raum sein, weil seit
17 Uhr warme Küche angeboten wird. Und ich muss ihn eigentlich
auch riechen können, weil seit fünf Tagen mein Fenster Tag
und Nacht auf Kippe steht. Vielleicht werde ich krank? Nein, glaube
ich nicht. Dass ich krank werde, merke ich zuerst daran, dass mir die
Zigaretten nicht mehr schmecken. Und die rauche ich momentan mehr
denn je, habe auch wieder angefangen, in meinem Zimmer zu qualmen.
Deshalb ist auch das Fenster permanent auf. Denn obwohl ich rauche,
hasse ich nichts mehr, als morgens früh im kalten Rauch
aufzuwachen. Wie sich der Kreis doch wieder schließt.
Einigen wir uns darauf, meinen momentanen Gemütszustand als
komisch zu bezeichnen. Heute morgen bin ich um acht Uhr in
angezogenem Zustand auf meiner Couch eingerollt aufgewacht, mit
meinem Mittelhochdeutsch-Wörterbuch als Kopfunterlage. So weit,
so normal. Denn schließlich wollte ich gestern Nacht noch meine
Hausarbeit in Mittelhochdeutsch erledigen. Und so wache ich ungefähr
jede Woche auf, um dann morgens früh festzustellen, dass ich
natürlich nichts übersetzt habe. Dann beginne ich zumeist
hektisch bis zum Seminarbeginn um zehn Uhr eine einigermaßen
ordentliche Übersetzung hinzubekommen. Heute morgen bin ich
einfach liegengeblieben.
Das war weiter nicht schlimm. Denn das Seminar ist, wie ich später
erfahren habe, sowieso ausgefallen. Man mag mein Liegenbleiben als
Instinkt werten. Ich nenne es komisch. Okay, um 14.30 Uhr hatte sich,
wie ich der örtlichen Tagespresse entnehmen konnte, unser
Bundesaußenminister Fischer in Freiburg angesagt. Ein Vortrag
über die deutsch-französischen Verhältnisse im
Audimax. Eigentlich Pflichttermin für einen alten Sponti wie
mich. Da ich um 14.30 Uhr aber gerade mal unter der Dusche stand,
fiel auch dieser Termin flach. Wie ich wiederum später erfahren
habe, wäre ich zu dieser Veranstaltung gar nicht reingekommen.
Denn erstens waren dreiviertel der Plätze für Ehrengäste
reserviert. Und zweitens hatten die Herren, die Fischer früher
mal beschmissen hat, das Unigebäude weiträumig abgesperrt.
Damit der langhaarige Pöbel bloß keine bösen Parolen
gröhlt.
Wieder mal Instinkt von mir? Ich nenne es eine absolute
Lustlosigkeit. Mir ist momentan vieles egal. Mein Kopf ist leer. Mein
Tag ist angefüllt mit Pflichtterminen, die mich momentan alle
ziemlich ankotzen. Ich kann nicht richtig schlafen, und wenn ich
schlafe, dann viel zu tief und viel zu lange. Denn ich träume
momentan sehr intensiv. Häufig sehr wirres Zeug, aber auch sehr
schöne Sachen. Viel zu schön um aufzustehen. Denn die
Wirklichkeit ist momentan viel zu hässlich: Zwei Klausuren,
Hausarbeit, Zwischenprüfung. Dann lese ich doch lieber Sätze,
wie: "Im Großen und Ganzen arbeitet die Welt in einer
schrecklichen Stille. Sie drückt ihr Wesen durch die Form und
die Bewegung aus." (Michel Houellebecq). Oder: "Und ich
lebe nur, brennende Trübnis und düstere Flamme, als vages
Phantasma, welches mein Geist, immer gleich gestaltend in diesem
widrigen Streit der Gegensätze, so gern dem Euren darbieten
würde." (Umberto Eco). Vielleicht liegt es daran, dass ich
verliebt bin?