Kleiner Abgesang auf Napster

Lieber Napster (oder „Näpschter“, wie man im Badischen sagt),

Du wehrst Dich mit Händen und Füßen (rein metaphorisch) gegen Deine Schließung. Du hast Dich wie eine Hure (alles rein metaphorisch) an Bertelsmann verkauft. Aber noch hat jeder seine Freude an Dir und Deinem schier unerschöpflichen Reichtum an MP3-Files. Ich nutze deshalb die Chance und möchte mich bei Dir bedanken. Bedanken dafür, dass ich mittlerweile eine stattliche Sammlung von 185 Stücken besitze. Bedanken dafür, dass ich nach etlichen Jahren der Suche endlich Vanessa Paradis‘ Stimme bei „Joe le taxi“ in CD-Qualität gefunden habe. Dafür, dass einer Deiner Benutzer „Bohemian Rhapsody“ aus der Schmidt-Show (Harald Schmidt 1996 im schwarzen, tief ausgeschnittenen Body) auf seiner Festplatte zur Verfügung gestellt hat. Auch für die ersten vier Teile vom „Herr der Ringe“ möchte ich „Danke“ sagen.

Schön ist auch, dass ich durch Dich um 3 Uhr morgens die Chance hatte, online soziale Kontakte zu knüpfen. Nämlich als sich jemand von mir Udo Lindenbergs „Schwul – na und“ herunterladen wollte.

Er: „Bist Du auch schwul?“

Ich: „Fast“

Er: „Also bist Du bi?“

Ich: „Naja, ich bin eher schreibfaul.“

Er: „Ich bin so einsam, weil mein Freund so weit weg ist.“

Ich: „Wo ist denn Dein Freund?“

Er: „In Hamburg.“

Ich: „Na dann wohnst Du wohl am Königssee.“

Er: „Nein, in Thüringen.“

Ich: „Auch nicht schlecht. Hast Du wenigstens ein Auto?“

Er: „Ich bin ja erst 16.“

Ich: „Ich habe gehört, dass die Deutsche Bahn jetzt auch in der Zone ein Netz aufbauen möchte.“(auf die Antwort musste ich verzichten, weil die Internet-Verbindung zusammenbrach).

Danke, lieber Napster, dass Du auch eher konservativ geprägten Musikgruppen eine Chance gibst. Es ist eine wahre Freude, wenn man mal auf der Suchen-Seite „Störkraft“ eingibt und dann so einfühlsame Schmusesongs wie „Judenrepublik“, „Blut und Ehre“, „Sonderzug nach Mekka“ (im Duett mit den Zillertaler Türkenjägern), „Mein Opa war Sturmführer“ und „Döner Skins“ erscheinen. Durch Deine Mithilfe kann ich mir jetzt die Goebbels-Sportpalast-Rede so oft anhören, wie ich will. Durch Dich weiß ich endlich, wie fröhlich in den 40er Jahren das Horst-Wessel-Lied gesungen wurde. Das alles verdanke ich Dir. Ich möchte Dich nicht vermissen. Gute Besserung und halt die Ohren steif (wieder rein metaphorisch). Wie hat schon Udo Jürgens gesagt: „Und immer, immer wieder geht die Sonne auf.“

Dein treuer User

Michi