Nachdem die Herren aus Berlin und Trier bereits erschöpfend ihre Sicht der politischen Weltlage dargelegt haben, möchte ich das Thema etwas anders aufziehen: Am Tag nach dem 11. September, also dem 12. September, lief mir in der Freiburger Innenstadt doch tatsächlich Uriella über den Weg. Das ist die Frau, die mit bürgerlichem Namen Erika Bertschinger heißt, daran glaubt, dass irgendwann in naher Zukunft fliegende Untertassen das Ende der Welt besiegeln werden und sich mit ihrer Sekte, der „Weißen Bruderschaft“, in einem kleinen Schwarzwalddorf verschanzt hat. Denn das Ende der Welt ist laut Bertschinger schon lange nahe, und man muss sich ja in Ruhe darauf vorbereiten. Wo ginge das besser als in einem Schwarzwalddorf?
Uriella lief mir also in der Innenstadt über den Weg, wie immer in einem weißen Brautkleid, neben sich ihren Gatten Ricordo, ebenfalls ganz in Weiß, allerdings in der Wahl der Schuhe nicht ganz so konsequent. Denn die waren eher beige als weiß und ähnelten somit wahlweise ausgelatschten Ärztetretern oder dem Schuhwerk, das alte Menschen gerne kaufen. Ein seltsames Paar: Sie sehr klein und faltig, was auch die Schminke und die schwarzgefärbten Haare nicht verdecken konnten, er an die zwei Meter groß und fast wie ein Krankenpfleger wirkend – nicht nur wegen der Schuhe.
Beide liefen untergehakt an mir vorbei, wahrscheinlich unterwegs zu irgendeiner Lesung oder Segnung. Denn Uriella sieht sich als fleischgewordenes Sprachrohr von Jesus Christus, nimmt in ihren Predigten auch die Christus-Rolle offensiv ein. Da verurteilt sie – bzw. er – dann so perverse und ekelige Sachen wie Homosexualität und Verhütung, spricht sich im gleichen Atemzug aber gegen die Todesstrafe und Rachedenken aus.
Nebenbei ist Uriella nicht nur das Sprachrohr von Jesus Christus, sondern auch Wunderheilerin und vertickt in ihren Gottesdiensten diverse selbstgebraute Wässerchen und Tinkturen gegen alle Gebrechen, inklusive Aids und Krebs. Bekannt ist vor allem das Bild, auf dem sie im weißen Brautkleid vor einer vollen Badewanne hockt und das Wasser mit einem Silberlöffel gegen den Uhrzeigersinn quirlt – das somit nach ihrer Weltsicht geheiligte Wasser ist in Flaschen abgefüllt einer der Verkaufsschlager der Dame.
Was muss ein Mensch mit solch einer extremen Persönlichkeitsspaltung wohl denken, wenn er die Bilder des einstürzenden World Trade Centers sieht, habe ich mir gedacht. Uriellas Blick wirkte angespannt und genervt, was auch an ihren Falten gelegen haben könnte und den nuttig zugetünchten Augen. Gatte Ricordo zog sie schnell um die nächste Ecke, weg von den Gaffern, Neidern und Ungläubigen.
Denn noch nie waren die fliegenden Untertassen so nahe wie gerade am 12. September.