Michis Adventskalender 3

03/12/01, 10 Uhr, Geschäftskundenbereich Sparkasse. Die alten Herren, die sich im Vorraum der Sparkasse auf den Monitoren die Entwicklung ihrer Fonds anschauen, stehen da wie immer. Nur im Schalterraum ist seit Tagen mehr Gedränge als sonst. Kein Wunder: Seit heute hat die Sparkasse die improvisierten Euroschalter für ihre Geschäftskunden aufgemacht. Die Schalter passen so gar nicht zum feschen Sparkassenrot. Blau und gelb sind sie gestrichen, oben drüber steht, damit es auch jeder versteht, „DM -> €“. Der Mann, der normalerweise an der Kasse steht, ist jetzt an den Euro-Schalter abberufen worden. Und das, wo die Geschäftsleute vor allem darum bemüht sind, ihre alten Devisen noch vor Jahreswechsel aufs Konto zu bringen. Dementsprechend sieht es in der Schalterhalle aus: Kein Mensch will Euro haben, statt dessen Gedränge an der Kasse.

Vor mir in der Schlange steht ein Typ mit Nackenspoiler, Schnubbi, Goldkettchen und Slippern, eine dicke Tasche unterm Arm, vielleicht 30 Jahre alt. Entweder Zuhälter oder Sonnenstudio-Besitzer, denke ich mir. Die Narben im Gesicht verweisen eher auf die erste Lösung, der Geldbetrag, den er jetzt dem Kassierer auf den Tisch knallt auf die zweite. Oder auch nicht.

Offensichtlich hat der Mann die kompletten Monatseinnahmen aus dem Safe geklaubt und in die Aktentasche gepackt. Geldbündel um Geldbündel wandert über den Tresen, und da kommt bei mir die Frage auf, welcher Gewerbezweig in den kalten Monaten wohl mehr Umsatz macht. Ein Sonnenstudio ist vor allem wetterabhängig, ein fester Bordellbetrieb in einer mittleren Großstadt lage- und rufabhängig. Dazu kommen die Faktoren Angebot, Servicefreundlichkeit und Preis. Also vielleicht doch ein Zuhälter, auch wenn die Stadt Freiburg etwas prüde ist, was die Ansiedlung des horizontalen Gewerbes angeht.

Es geht und geht nicht weiter in der Schlange. Ich habe um Viertel nach Uni, und mittlerweile ist es 10.20 Uhr. Der Zuhälter blättert die Scheine auf den Tisch, kramt mit seinen Wurstfingern in der Tasche rum und dreht sich immer wieder nach hinten um. Mit dem rechten Ärmel seiner Jeansjacke wischt er sich kurz über seine Knollennase. Gleichgültigkeit steht ihm ins Gesicht geschrieben, dem Kassierer sowieso, der sich beim Hantiereren mit der Gelzählapparatur nicht aus der Ruhe bringen lässt.

Ich schaue in das Mäppchen, in der das VHS-Geld steckt – eine verschwindet geringe Summe im Vergleich zu den Batzen, die der Zuhälter auf den Tisch haut. Vielleicht habe ich ja doch den falschen Job.