Die döfsten RTLII Die Reporter-Reportagen

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  • Werkeln, warten, weiße weihnacht – Deutschland im weihnachtsfieber
  • Handschellen, Helme, Haftbefehle – unterwegs in Hamburgs Blaulichtmilieu
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Helpensteins historische Nachrichten IV

Hach! Wie herrlich irrational ich diesen Winter doch bin! Vor einigen
Monaten noch hätte ich nicht im Traum daran gedacht, esoterische Abende mit Sitahr
spielen zu verbringen und dabei Roibush (oder wie heißt der?)-Tee zu trinken.
Da hätte ich sicher verzückt gerufen: „Nein! Niemals! Ich werde niemals zum
Esoteriker, der auf einem Hanfsamenkissen sitzt und Sitar spielt.“ Aber
jetzt? Der Winter kam und um mich herum versank alles in tiefster Depression, die
Mitmenschlein ließen die Köpfe hängen wie die ungegossenen Primeln,
ernährten sich nur noch von Johanniskraut und Lichttherapien, Vitamin-C-Kapseln und
hochdosiertem Morphium intravenös (das letzte war durchaus übertrieben und
könnte so in gedruckter Form auf keinen Fall stehen bleiben, aber in einem
schnelllebigen Teckno-Internet-Magazin, oder auch e-zine, ist so etwas ja wirklich
nichts besonderes, und hier darf man sich schließlich jede noch so politisch
unkorrekte Bodenlosigkeit erlauben!). (Moment mal, apropos modernes Leben,
Lifestyle und fashion: habe ich da eben das Wort schnelllebig wirklich mit drei
l´s geschrieben? Ist das o.k. für den Leser? Ihr seid o.k. Ich bin o.k. Alle
sind gut drauf und furchtbar schnelllllebig, Big in Berlin sozusagen,
fantasma pur, mega urban (urban cookie colllektive, Dancefloor Projekt Anfang der
1990er Jahre, Anmerkunjg des Verfassers) und definitiv mondän, hups!)
Lassen wir das! Ich wollte doch über meinen esoterischen Winter schreiben.
Jedenfalls stürze ich mich in einen solchen, weil da draußen alles so ist, wie
es in der vorangegangenen Klammer vom Autor dieses Textes anschaulich
beschrieben worden ist.

Während also alle sich Psychopharmaka durch die Nase ziehen und krampfhaft
versuchen, nicht daran zu denken, dass gerade Winter ist, lasse ich alles
völlig nostalgisch auf mich zu schwämmen und genieße in ganzer Kraft. Obwohl mir
mein Gleiten und Treiben fast schon gespenstisch vorkommt, verglichen mit
einem völlig rationalen Frühjahr oder einem leichtfüßigen Sommer am Strand von
Malibu. Jetzt ist alles anders. Ich nehme Vitamine in Frucht- und nicht mehr
nur in Cocktail-Form ein, esse Nüsse und Schokolade und habe gar fast ein
kleines Bäuchlein angesetzt, aber nur ein kleines. Meine Seminararbeit über
Mythen und Kultplätze verschlingt mein ganzes Sein, dazu lausche ich
Genesis-Musik. „Aber doch wohl nur mit Peter Gabriel!“ wird da der Chor der
pseudointellektuellen Studienräte grummeln. Mutig und tapfer ergreife ich Mandoline,
Querflöte und meine Mittelalter-Leder-Schlappen-Schuhe (eigentlich sind es
Mokassins aus einem Indianer-Laden in der Düsseldorfer Altstadt) und trete den
Nörglern eisig entgegen: „Nein, auch noch mit Phil Collins, aber nur die pompöse
Epoche!“ rufe ich lauthals in den Winterwind und meine damit die sublimsten
Syntheshizer-Orgasmen (schnöder Feuilleton-Jargon, überflüssiges Blähwort,
Anmerk. des Verf.), die sich je auf einer Genesis-Platte tummelten. Aber auch meine
Ethno-Weltmusik-CD-Sammlung und Pink Floyd tun ihr Bestes, um mir den Winter
zu esoterisieren.

Neulich las ich ein Buch über Alltagsleben im Mittelalter aus dem Jahre
1981. Im Vorwort hierzu folgender Gedanke: „Ich gehe durch die Fußgängerpassage
und sehe ein junges Pärchen. Sie trägt Jeans-Hosen und ein rotes T-shirt, er
hat ein Bandabspielgerät in der Hand und trägt Kopfhörer an den Ohren. Zu den
Klängen der Abbas, Pink Floyd oder James Last lässt sich das junge Paar
treiben. Was wohl die schlesische Bäuerin dazu gesagt hätte, die um das Jahr 1500
ihr Feld bestellt?“ Ein herrlicher Vergangenheitstrip. Yeah! Die Abbas, Pink
Floyd und James Last. Natürlich, wer auch sonst. Sie waren schließlich das
Superband-Trio des Jahres 1981. Da hat Professor Arno Borst aus Freiburg mal
wieder voll ins Schwarze getroffen. Der wusste noch Bescheid, was in
studentischen Kreisen so los ist, Samstag vormittags in deutschen Fußgängerpassagen.
Kürzlich, am Anfang meiner esoterischen Phase, bin ich in einen Ethno-Laden
gegangen, wo der schwule Inder mit der Glatze und der Nickelbrille eine
deutsch-indisch-homoerotische Geschäftsbeziehung zu einem Deutschen mit Glatze und
Nickelbrille aufgenommen hat, und diese beiden dann Teebaumöl, peruanische
Strickmützen und Mohrrüben aus Ethno-Öko-Anbau an unschuldige Gläubiger
verticken, welche am Vorabend Monitor gesehen haben, wo alles wieder als verseucht
und gentechnisiert präsentiert wurde. So angeekelt bin ich noch nicht. Ich
esse alles brav auf, was mir die Abpackecke im Billigsupermarkt so bietet. So
ging ich also in den Laden, so ganz fesch zwischen Redaktionsaufenthalt und
Termin, jovial, wie man in Österreich auch noch sagen könnte, und griff beherzt
nach den Patjouly-Räucherstäbchen, die der Inder feilbot. Heureka! Was für
ein Anblick. Zwei indisch-deutsche Nickelbrillen-Skinheads, die von einem
hageren Jungsporn 4 Mark 95 für eine Packung Räucherkerzen verlangen. Dabei habe
ich seit fast fünf Jahren keine mehr gekauft und fühlte mich auch wie ein
14jähiger Bub, der sich das erste Mal in ein Pornokino begibt. (Jaja. Für die
Ethno-Kenner, -Schätzer und ­Liebhaber: Patjouly schreibt sich irgendwie
anders, aber ich glaube, die Inder wissen selbst nicht so genau, wie man es
schreibt, also beruhigt Euch. Es riecht jedenfalls herrlich nach dem alten Mann vom
Straßenstand (direkt am Nordportal des Friedhofs von Banjaipur), der dort
Ingwer auf einen Brei aus roten Linsen streut und ihn auf Fladenbrot serviert.
Wenn dieser Mann einen schlechten Tag erwischt hat und seine Dusche versagt,
dann riecht Patjouly genauso wie er.

Im März wache ich wieder auf, höre wieder anständige Jazz-Musik, spiele
normale Instrumente und lese ordentliche Bücher. Aber jetzt, jetzt darf ich
noch…

Ludwig Erhard

Diese angeblich historische Aufnahme Ludwig Erhards bei der Lektüre des Drehbuches zu dem nach Motiven seines Lebens entstandenen Films „Lausbubengeschichten“ (kongenial verfilmt mit Hansi Kraus) gibt es natürlich gar nicht. Quo vadis, Wirtschaftswunder …

Das klappt schon

Aber für mich ist der Weg zur Währungsunion nur im Rahmen eines europäischen Bewußtseins erfolgreich zu gehen […]

Bundesbank-Direktoriumsmitglied Otmar Issing in „Der Spiegel“ vom 15.1.1996, S. 85ff

Als im Dezember diese lustigen kleinen Geldsäckchen verkauft wurden, hab ich schon so bei mir gedacht, daß diese größte verwaltungstechnische Herausforderung noch ganz Europa in ein Chaos ungeahnter Ausmaße stürzen wird. Um diesen Trubel zu umgehen, hab ich mich dann auch nicht am 17. Dezember zur Stoßzeit vor der Sparkasse in eine der Schlangen eingereiht, um solch ein Warterkit zu erhaschen, sondern einfach noch einen Tag abgewartet und dann tatsächlich zwanzig Ocken – schön fein säuberlich in Zwei- und Fünfpfennigstücken – auf den Tisch geschaufelt und mir auch so ein Plastiksäckchen für Neugierige gekauft.

Da hatte ich ihn also, meinen Euro, und trug ihn stolz ins Büro. Zuerst hatte ich wie der kleine Junge in der Werters-Echte-Reklame noch etwas Schwierigkeiten, das Päckchen aufzumachen, aber nach dem Griff zu einer herumliegenden Schere purzelten auch schon die erste goldenen Metallbolzen auf den Schreibtisch. „Häßliche kleine Dinger“, dachte ich so in mich hinein und befummelte zuerst die gekerbten Ränder, bevor ich entzückt den Fallersleben-Vers auf dem Rand der Zwei-Euro-Münze entdeckte. Viel hat sich verändert, jedoch offensichtlich nicht alles – ich war ein gutes Stück versöhnt. Was danach folgte, trübte meine Stimmung wieder: Wo sollte ich die gräßlichen Münzen nun hinpacken? Zu Theodor Heuss und dem baumpflanzenden Fräulein in meine Geldbörse? Nein. Erstens kein Platz und zweitens ist dann alles durcheinander. Das mochte ich nicht leiden. Ich steckte die gesamteuropäische Währung in meine Manteltasche und musste den ganzen Tag fürchten, daß meine allerersten Euros unbenutzt in die Gosse kullern. Ich war erzürnt und fing an, meinen Kauf zu bereuen.

Was dann folgte, ärgerte mich noch mehr. Im täglichen Umgang mit diversen Automaten erwiesen sich die neuen Münzen nämlich als mehr als untauglich. Obwohl an jedem Metallgegenstand, der nur so aussieht, als könne man Münzen hineinwerfen, sich schon ein hübscher Euro-Aufkleber befindet, scheint den Automaten selbst noch niemand gesagt zu haben, daß sie nun auch die neuen „Rundstücke“ zu fressen haben. Entweder die Münzen purzeln unten unbeachtet wieder hinaus, oder noch schlimmer: Man bezahlt, erhält dafür aber keine Gegenleistung. Ein mir nun verhaßter Kaffeeautomat weigerte sich trotz beharrlichem auf dem Geldrückgabeknopf rumgedrücke, mir meine sauer erkauften Euros wiederzugeben. Ärgerlich. Die neuen Scheine scheinen ja auch nicht das zu halten, was man von ihnen erwartet, aber wegen mir müssen die Dinger auch gar nicht waschmaschinentauglich sein, da ich eher selten, also nie, Geld zu waschen pflege.

Der erste Einkauf mit dem neuen Geld war umso spaßiger: „Was macht das denn in Euro?“ – „ZweiEurosoundso“ – „Mal sehn, ob ich soviel hab“ – Die Kassiererin schaut mich ermutigend an, ich packe meine Goldmünzen auf den Tisch. „Das klappt schon“, meint sie. Ich fingere derweil wild herum: „Den noch und den noch, so richtig?“ – „Sehen sie, das hat doch gut geklappt“.

Ich fühlte mich in die Zeit zurückversetzt, als ich noch im Büdchen um die Ecke meine Pfennige in Weingummischlümpfe getauscht hab, damals, als ich kaum zählen konnte und jeder meiner „Einkäufe“ fast eine Stunde gedauert hat.

Weil ich noch etwas nachdenkliches sagen will, daß selbst eine europaweit einheitliche Währung die verschiedenen Kulturen wohl nicht näher zusammenbringen wird und leider auch nicht zum gegenseitigen Verständnis der Menschen untereinander beitragen kann, entschließe ich mich zu einem mächtigen Schlußwort. Leider entweicht mir nur ein „ich komm mit dem ganzen Kram nicht zurecht“. „Ach, da gewöhnt man sich schon noch dran“, meint die Kassiererin für mich mit. „An das Ozonloch und das Waldsterben hat man sich ja auch gewöhnt“, denk ich so bei mir und verlasse mit einem „Tschüß“ lächelnd (und von meinem ersten Euroeinkauf noch ein bisschen aufgeregt) den Laden.

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