Die Siebenzeilenmeldung, dass die Gewerkschaft ver.di wieder mal streikt, hatte ich als stark linksalternativer und stark kurzsichtiger Leser der taz einfach übersehen und mich stattdessen an Jan Ullrichs Artikel „Meine Zeit mit Halle Berry“ erfreut.
Hätte ich gewusst, dass die städtischen Verkehrsbetriebe in Freiburg zwischen 4 und 8 Uhr morgens streiken, hätte ich mein klappriges Damen-Fahrrad aufgepumpt und wäre damit „wie der Wind“ zur VHS geeilt. Tatsächlich stand ich um 6.45 Uhr wie „Falschgeld“ oder „bestellt und nicht abgeholt“ an der Straßenbahnhaltestelle und wartete und wartete und wartete und erfreute mich am Anblick der Weihnachtsbäume, die irgendein armer Mitarbeiter hoch oben auf dem Dach der Brauerei Ganter aufgestellt hat. Und irgendwann dämmerte es mir doch: „Da war doch was mit drei Prozent und Westen aus Müllsäcken in Signalfarben.“
Hätten die Verkehrsbetriebe nicht gestreikt, wäre auch die über 70 Jahre alte und 1,52 Meter große VHS-Putzfrau zur Arbeit gekommen. Dann hätte sie einen Zettel in ihrer Putzkammer gefunden, mit dem Hinweis der Verwaltungschefin, doch bitte den Taubendreck am Hintereingang zu entfernen. Weil die Verkehrsbetriebe streikten, konnte die Putzfrau aber nicht kommen und sah so auch nicht den Zettel, so dass schließlich um 7.45 Uhr die Verwaltungschefin an der Tür der Hausmeisterbutze klopfte. Statt der Putzfrau wurde nun ich aufgefordert, den Taubendreck wegzumachen, was meine Laune nicht verbessert hat.
Hätten die Verkehrsbetriebe nicht gestreikt, wäre auch die Putzfrau vom Nebengebäude gekommen, hätte geputzt, gesaugt und die Mülleimer ausgeleert, die Türen auf den beiden Etagen aufgeschlossen und mir damit lästige Arbeit erspart. Denn immerhin sind es fünf Minuten Fußweg vom Hauptgebäude zum Nebengebäude. Weil aber die Verkehrsbetriebe streikten, kam auch die Putzfrau des Nebengebäudes nicht und machte auch die Türen nicht auf. Während ich den Taubendreck wegmachte, hätten im Nebengebäude die „Sprachkurse für FrühaufsteherInnen“ beginnen sollen. Da aber die Putzfrau des Nebengebäudes aus den gleichen Gründen wie die Putzfrau des Hauptgebäudes nicht zur Arbeit erschien, waren die Türen verschlossen. Was ich nicht bedacht hatte.
Als ich gegen 8.30 Uhr nach Entfernen des Taubendrecks am Hintereingang des Hauptgebäudes routinemäßig meinen Gang zum Nebengebäude antrat, kamen mir ganz aufgeregt die Leiterinnen der Kurse „Englisch für FrühaufsteherInnen“, „Spanisch für FrühaufsteherInnen“ und „Italienisch für FrühaufsteherInnen I “ und „Italienisch für FrühaufsteherInnen II“ entgegen, die allesamt – so will es das Schicksal – nicht vom Streik betroffen waren und seit einer halben Stunde vor verschlossenen Türen standen. Genau wie die KursteilnehmerInnen, die müde auf der Treppe saßen und mit ansahen, wie ich von den Kursleiterinnen angekeift wurde.
Zum guten Schluss kam auch noch die Verwaltungschefin hinzu und hielt mir vor, dass ich den Taubendreck ruhig mit etwas mehr Elan hätte entfernen können. Danke ver.di, danke taz!