Heute versucht keines der mit bunten Wollschals behängten Kinder, die Teiche im Park der Universität zu Fuß zu überschreiten. Kein Wunder: sie sind nicht mehr zugefroren. Wenn man mich fragt, wäre zwar jetzt ein besserer Zeitpunkt, um auf den Teichen Schlittschuh zu fahren, weil weniger gefährlich, aber mich fragt ja keiner.
Ein laues Lüftchen weht die Weihnachtsvorfreude hinweg wie ein achtlos dahingeworfenes Zelophantütchen. Ich folge inzwischen auch der Anweisung meines Linguistik-Professors, der nebenbei bemerkte, man könne sich das ganze Fest einfach dadurch versauen, indem man sich für „die Tage zwischen den Tagen“ zu erledigen vornimmt, wozu man im vergangenen Jahr nicht gekommen ist. Neulich bin ich nachts um zwei aufgewacht, quer durchs Zimmer zu meinem Taschenkalender gekrochen, habe mit dem beiliegenden Kuli „Finanzamt!“ eingetragen, bin wieder zurückgekrochen und habe dann stundenlang wachgelegen.
Ob die Teiche in der Schweiz jetzt dick zugefroren und mit weihnachtsvorfreudigen Kindern bestückt sind? Jaja, Herr von Stuckrad-Barre, Sie haben es leicht. Einfach in die Schweiz zu ziehen, tricky! Da erspart man sich das lästige Nummernkontoauflösen. Ich hingegen muß zum Finanzamt, welches vierundzwanzig Stunden am Tag geschlossen ist.
Auf den Internetseiten der Stadt Trier suchte ich die Ämter ab, das Finanzamt war nicht dabei. Als ich in der A-Z-Liste nachschauen wollte, zeigte mir der Rechner sein Unbehagen, indem er seinen Dienst komplett einstellte. Aha, dachte ich, der will also genausowenig zum Finanzamt wie ich. Beim zweiten Anlauf fand ich dann den Vordruck „Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung zur Steuerfreistellung des Arbeitslohnes für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis“. Ärgerlich nur, daß ich mich jetzt doch noch zum Finanzamt
quälen muß, um den ausgefüllten Wisch abzugeben. Der große Vorteil ist, daß ich den Zettel jetzt nicht mehr im Finanzamt im Flur auf dem Boden knieend ausfüllen muß, wie sonst. Dabei werde ich nämlich immer in Versuchung geführt, den Vordruck gar zu patzig auszufüllen:
„Ich habe im Kalenderjahr 2003 voraussichtlich folgende andere Einkünfte“ – „Das weiß
ich jetzt doch noch nicht, ihr Deppen“. Auf so etwas sollte man vielleicht wirklich verzichten, oder gleich in die Schweiz ziehen, um sich das Steißbein beim Überschreiten eines zugefrorenen Sees zu brechen.