Stille Helden: Die Rumsteher

Schlenderer, Abstopper, Bremser, Lungerer –  die Gesellschaft hat inzwischen viele teils abschätzige Bezeichnungen für jene Menschen, die vermeintlich unüberlegt ausharren, wo wir nur „möglichst schnell vorbei“ wollen. Für viele sind sie ein Ärgernis, eine Randerscheinung im hektischen Alltag des öffentlichen Raumes: Die Rumsteher.

Kaum einer macht sich darüber Gedanken, welche Hingabe, welch eiserner Wille und welch präzise Vorbereitung und Ausdauer es erfordert, die höchsten Ligen des Rumstehens zu erreichen. Und doch opfern täglich tausende ihre Zeit, das Fähnchen des Rumstehens hoch zu halten, der Gesellschaft ehrenamtlich und selbstlos einen Dienst zu erweisen, ohne den ein zivilisiertes Zusammenleben fast undenkbar erscheint.

Dem Kinderfresser ist es gelungen, ein exklusives Interview mit einem dieser stillen Helden des Alltags zu führen:

KF: Herr M., sie bezeichnen sich selbst als Rumsteher. Was brachte Sie zu diesem schönen Hobby?
M: Nein, das Rumstehen ist kein Hobby, es ist vielmehr Berufung, eine Lebensanschauung. Wissen Sie, ich fühle mich einfach dazu berufen. Es gibt so viel Leid auf der Welt, da dürfen wir nicht einfach länger zuschauen, da müssen wir etwas machen, es hegen und pflegen wie ein Pflänzchen, es mehren wo auch immer möglich.
KF: Eine noble Idee! Aber wie setzen Sie diese im täglichen Leben um?
M: Nun ja, ich habe festgestellt, daß sich viele Menschen auf überfüllten Plätzen und in überheizten und mit schlechter Musik beschallten Warenhäusern unwohl fühlen. Manche haben es auch einfach eilig und wollen so schnell es eben geht einfach von A nach B.
KF: Und da greifen Sie dann ein?
M: Na ja, „eingreifen“ ist ein starkes Wort. Ich leiste eher passiven Widerstand.
KF: Indem Sie einfach so rumstehen?
M: Nein, das geht nicht „einfach so“, das verlangt schon nach präziser Vorbereitung. Ich habe z.B. festgestellt, dass sich nicht alle Rumstehorte gleich gut eignen. Und genau das unterscheidet den zufälligen Rumsteher vom, na ich möchte schon fast sagen „Profi“.
KF: Wo steht der professionelle Rumsteher denn so rum?
M: An Rolltreppen.
KF: Rolltreppen?
M: Ja, ich stehe besonders gerne – und auch sehr erfolgreich – am Ende irgendwelcher Rolltreppen rum. Also man fährt mit der Rolltreppe hoch und bleibt dann einfach stehen. Natürlich geht das nicht einfach so, man muß dabei schon blöd in die Luft und um sich herumgucken, als würde man nicht wissen, ob man im richtigen Stock ist – oder besser so, als hätte man vollständig vergessen, was man hier wollte und wer man überhaupt ist.
KF: Das reine Rumstehen genügt also nicht.
M: Ja, da ist viel Wahres dran. Eine richtige Mimik und Gestik sind unverzichtbar für ordentliches Rumstehen. Mitunter ist jahrelanges Training erforderlich, um beim Rumstehen möglichst unansprechbar und abwesend zu wirken. In engen Fußgängerpassagen oder auf Fahrradwegen, besonders gerne, wenn zusätzlich eine
Baustelle den Weg versperrt, stehe ich oft stundenlang mit dem Handy rum und tue so, als würde ich telefonieren.
KF: Hilfsmittel sind also erlaubt?
M: Aber natürlich! Nur, gewinnbringend eingesetzt müssen sie natürlich werden: Meinen Einkaufswagen entlade ich beispielsweise ausschließlich quer hinter den anderen Einkaufswagen, dort, wo sie angekettet werden. Oder man schiebt den Wagen in den Eingangsbereich. Am besten in Läden, bei denen die Räder des Einkaufswagens sofort blockieren, wenn man versucht mit ihm das Geschäft zu verlassen. Dann kann man meist so lange rumstehen, bis jemand vom Personal kommt.
KF: Oh, da verraten Sie uns aber schon die Pro-Tipps des Rumstehens, oder?
M: Ja, oder, oder zum Beispiel Regenschirme: In Ein- und Ausgängen kann man rumstehen und diese nützlichen Dinger umständlich und lange auf- und zuklappen, die vermeintlichen Regentropfen abschütteln, der Phantasie sind da kaum Grenzen gesetzt.
KF: Man merkt Ihnen Ihre Begeisterung für das Rumstehen richtig an.
M: Ich glaube, wir Rumsteher leisten da auch einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Sie müssen wissen, ich bin bei weitem nicht der einzige Rumsteher.
KF: Sie sind aber eher ein Solorumsteher, oder …?
M: Nein, ganz und gar nicht. In der Gruppe macht das Rumstehen doch erst richtig Spaß. Manchmal verabreden wir Rumsteher uns und stehen so geschickt rum, dass wir ganze Büroflure, ach, was sage ich, ganze Fußgängerzonen zustellen.
KF: Eines würde unsere Leser bestimmt noch besonders interessieren: Wo und wie stehen Sie ganz persönlich denn am liebsten rum?
M: Besonders reizvoll sind für mich Engstellen, an denen ein oder mehrere Passanten warten, bis ich diese passiert habe. Ich vermittle dann noch kurz den Eindruck, als würde ich mich beeilen, fange dann aber urplötzlich und wie aus dem Nichts an, einfach rumzustehen. Spontan-Rumstehen quasi. Dabei dann noch jeglichen Augenkontakt oder hektisch-aufgeregte Bewegungen zu vermeiden, das ist für mich die Königsdisziplin des Rumstehens.
KF: Und wenn Sie jemand bittet, aus dem Weg zu gehen?
M: Dann gucke ich zuerst möglichst blöd. Aber wenn es gar nicht anders geht, stelle ich mich halt jemand anderm in den Weg.
KF: Wir danken Ihnen für das Interview. Und natürlich für Ihr unermüdliches Rumstehen. Danke!

Wir zweifeln …

… und das nicht erst seit gestern.

  • Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg
  • Dr. Silvana Koch-Mehrin
  • Dr. Best
  • Dr. Sommer
  • Der Scheiben-Doktor
  • Der Doktor und das liebe Vieh
  • Dr. Jorgo Chatzimarkakis
  • Dr. Titel
  • Dr. Spiele
  • Dr. Vater
  • Dr. Mabuse
  • Dr. Octopus
  • Dr. Schlager und die Kuschelbären

Aber wer wären wir zu zweifeln?

  • Dr. Snuggles
  • Dr. Who
  • Dr. Alban