Lokalredaktion fast Berlin

Wir haben uns gepackt, sind diesem Dasein auf den Wiesen der Eitelkeiten entronnen.

Die Lokalredaktion Berlin ist nur noch Wochentags zu Besuch, bezeichnenderweise in der Nähe des Zoos.

Seit meinem letzten Gruß hat sich meine Welt weiter gedreht, meiner multiplen Persönlichkeit stehen jetzt noch eine Beraterin und zwei Weise zur Seite und erklären, was wir nicht verstehen können.

Doch der geneigte Leser darf fragen, von welcher subjektiven Position er nun über das wahre Wesen des Lebens aufgeklärt werden wird. Und ich nehme stark an, das er etwas aus der Fassung geraten wird, das mein Zentrum der Welt jetzt im Brandenburgischen liegt.

„Von Berlin nach Dunkeldeutschland!“ höre ich ohnmachtsnahe Unglaubensseufzer, „vom Zentrum in die Zone“ manchen Schmähruf.

Da lächle ich milde und rücke meinen guten Onkel Sessel etwas näher an das Feuer. Drei Jahre habt Ihr keinen Blick mehr in die Flammen meiner Erkenntnisse werfen dürfen, um Euch ein bisschen von dem Flackern unterhalten zu lassen. Ein wenig Zorn Eurerseits sei da angebracht.

Warum nicht mehr Berlin?

Ersten die Weisen, für sie ist Berlin nichts. Weise Menschen sind klein und Berlin ist groß, Ihre Gedanken verlieren sich im Lärm. Zweitens, Berlin ist ein „ich“, vier Millionen Personen die alle „ich“ schreien und sich in einer Kakophonie der Selbstbehauptung verlieren.

Drittens und viertens ein ungelöstes Tomatenmarkproblem.

Warum Brandenburg?

Erstens, die Weisen haben hier viel Himmel über dem Kopf um sich frei zu entfalten. Zweitens Brandenburg ist leise und bescheiden, es ist arm und wenig sexy aber höflich und solidarisch.

Es gibt eine erstaunliche Anzahl gerader klarer Menschen ohne jede egozentrische Neigung. Dummheit, Fehlgeleitetheit und Frechheit sind natürlich auch hier das Wesensmerkmal vieler bedauernswerter Individuen und Rudel und die Armut macht das nicht besser. Aber hier sind sie offen als dumm, fehl und frech erkennbar und nicht Jura oder BWL Studenten mit Sado- Maso Neigungen.

Drittens bin ich nach wie vor an Berlin gebunden, es ist ein Feld das noch nicht zu Ende beackert ist. Es ist wie die Küchentür zuzumachen und zu Wissen, das Chaos des bösen Wolfs ist dort weggesperrt, bis man am nächsten Tag doch wieder nach einem sauberen Teller suchen wird.

Viertens hat es mir die Fanfare im Regionalexpress angetan.

In welcher Stadt im Brandenburgischen ich sitze, sei hier noch nicht verraten, irgendwie muss ich ja die Spannung aufrecht erhalten.

Jetzt werde ich mir einen Salbeitee aus dem duftenden Kraut aus unserem Garten machen (ich bin etwas heiser nach all dem Pathos) und Sterne zählen, denn dieses Bundesland ist zu dünn besiedelt um den Nachthimmel unsichtbar zu machen.

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Von einem der ausgezogen wurde, erwachsen zu werden

Nur die Kratzspuren an der Türzarge in meiner Uni weisen noch darauf hin, das ich hier dereinst friedlich
vor mich hinstudierte. Sie sind auch das letzte, was ich von ihr sehe, als vier Schwerbewaffnete mich
wiederholt vom Gelände schleifen, meine flehentlichen Bitten ignorierend, „schickt mich nicht da raus, ich
bin noch nicht so weit!“. Nun sitze ich, Nase hochziehend und mir ab und zu mit dem Hemdsärmel meines
Pullunders die Augen wischend, in der bösen Welt.
Bis auf das tägliche Ausgepeitscht werden und die Elektroschocks in die Gonaden und die ständigen
anderen Demütigungen, war die Uni doch gar nicht so schlimm. Ich kam zum Schluss hin doch ganz gut
klar und konnte über die Schmerzensschreie der anderen Idioten lachen, die noch nicht so gut kriechen
konnten wie ich.
Ich komme mir vor wie eine Zimmerpflanze, immer wenn ich groß genug für meinen Topf bin, werde ich
am Hals rausgerissen und in einen noch viel größeren gesteckt.
Das fing im Kindergarten an, oder hat einer von Euch jemals geglaubt es sei schaffbar eine Uhr zu lesen,
geschweige denn sich die Schuhe zu binden? Gut – nicht das ich es geschafft hätte, oft lästerten die
anderen Redaktionsmitglieder über meine Klettverschlüsse und meine sprechende Uhr, die zu jeder vollen
und halben Stunde ihren krätzigen elektronischen Hahnenschrei abgibt. Wie ein Kassandraruf ertönt just
in diesem Moment dieser Schrei, der mich daran erinnert, das dies alles nie aufhört.
Was wollen die denn alle ständig von mir? Erst lesen und schreiben lernen, was für eine Forderung an
jemanden der schon mit dem umblättern seines Pixibuches immer überfordert war? Soziale Kontakte
knüpfen? Man sehe sich nur an, was für eine Rotte ich um mich geschart habe. Immer unmöglichere
Aufgaben kamen, Englisch, Bruchrechnen, Kacken lernen, man wird einfach nicht in Ruhe gelassen.
Aber es hörte nicht auf, wenn man eine Aufgabe bewältigt hatte. So wie ein Kaninchen den nächsten
Bau buddeln muss, wenn es den Einen fertig hat. Immer habe ich mich irgendwie durchmogeln können,
mit einem diffusen „mach erstmal das fertig und schau dann weiter“ im Hinterkopf. Mysteriös, dass ich
aber immer einen Schritt vorangekommen bin, wenn auch oft mit erstaunlichem Glück. Ich gebe aber
auch gerne zu, dass ich als omnipotenter Naturgenius nicht wirklich fürchten musste an der nächsten
Stufe der Menschwerdung zu scheitern, was aber nicht heißt, dass irgendeine Aufgabe vor mir auch nur
einen Deut einfacher wird. Ich habe es mir dennoch zur Aufgabe gemacht, meinem Schicksal ein
Schnippchen zu schlagen. Ich mache jetzt einfach alles auf einmal und lege mich, wenn ich fertig bin, auf
die faule Haut: Ich werde damit klarkommen, kein Student, sondern Ingenieur zu sein, eine
verantwortungsvolle Arbeit beginnen, für die ich mein Leben lang lernen werde, die Aufgaben die sich
mir dort stellen, werde ich mit Bravour meistern. Ich werde verheirateter Vater werden, möglichst von
mehr als einem Kind. Meine Kinder werde ich wohl erziehen und ohne Rot zu werden, werde ich
behaupten, dass sie das schon alles schaffen werden, was sie zu meistern haben. Ich werde ein erfülltes
und glückliches Leben leben und in dunklen Zeiten werde ich mich daran erinnern, dass ich geliebt werde-
und dann trinke ich Tee.

Veröffentlicht unter erik

Problemstellung

Es gibt nicht viel, woran sich der moderne Mensch nicht schon einmal versucht hätte, in den Orbit fliegen ist z.B. mittlerweile schon so gewöhnlich, dass man es für schlappe 24 Mio. Dollar machen kann (interessant wäre eine Kilometerabrechnung wie bei einem Taxameter, wieviel Trinkgeld gibt man da wohl?).

Gotteslästerung bringt einen nicht mehr auf den Scheiterhaufen, der Dom ist im Bau, es wird hier und da globalisiert, das Licht gibt’s elektrisch, die Unterhaltung auch.
Weltrekorde werden immer noch gebrochen und Computer werden immer noch schneller, Pfannen werden mit Materialien beschichtet, die sonst mit bescheuerten Millionären im Orbit rumhängen.

Wie zum Teufel soll man also heute noch erkennen können, ob eine Forderung oder Aufgabe tatsächlich unmöglich ist?
Neulich auf der Sommerblumenwiese „Dolce Vita“ fragte ich den Allvater.
„Allvater,“ fragte ich, „Allvater, wie erkenne ich, dass mir eine unmögliche Aufgabe gestellt wird?“ .

„Tricky,“ antwortete der Allvater „am einfachsten untersuchst Du die Fragestellung, je harmloser sie klingt, desto seltener ist das Verlangte realisierbar.“
„Hä?“ bemerkte ich. .

„Nun,“ entgegnete der Vater „nimm folgendes Gleichnis, oder besser das Beispiel, welches ich jetzt nenne: Besiege den Schnupfen, bau mal eben das Regal auf und komm dann Frühstücken. Ich wage zu Prophezeien, dass dein Tee kalt wird.“ .

„Leuchtet ein.“ schob ich ein, aber jetzt war der Allvater mal wieder in Fahrt. .

„Beiläufigkeit, mein Sohn, ist ein Garant für eine teuflisch verzwickte, bzw. unmögliche Aufgabe. Nimm folgenden Satz: >>Das wird schon irgendwie gehen, das machen wir schon irgendwie (wenn wir da sind).<< Es wird der Erfahrung nach nicht im geringsten gehen. Mit ‚wir’ bist ‚du’ gemeint und zusätzlich wirst du alles unter völlig bescheuerten Arbeitsbedingungen erledigen sollen, der Mehraufwand wird so oder so vielstellige Mehrkosten, respektive Tote, respektive Hunde erfordern. Schon die Vorstellung, das sich der Aufgabensteller nur für zwei Cent Gedanken dazu gemacht hat, ist absurd.“ .

„Aber All,“ klagte ich „was soll ich denn tun, werde ich mit so etwas konfrontiert?“
„Ich will dir zwei göttliche Antworten geben, die immer passen: .

.

.

1. Nein, das war etwas völlig anderes, viel kleineres, was nie funktioniert hat und nie funktionieren wird.
.

.

2. Ist Einäschern O.K.?

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Mein gestörtes Verhältnis zum Mindesthaltbarkeitsdatum

Ich bin ein penibler Spießbürger erster Klasse, wenn es um Mindesthaltbarkeitsdaten
geht, ein Fürchtegott modernen Auszeichnewesens, ein Sherlock Holmes der Unterseite
und des Deckelrandes.

Ein zwei Tage abgelaufener Joghurt wandert bei mir ungesehen in den Müll, eine vier
Tage zu alte Suppe aus der Dose schmeiße ich, metaphorisch gesehen, im hohen
Bogen aus dem Fenster und Dinge ohne Haltbarkeitsdaten fasse ich nur mit einer
sterilen Zange an.

Immer wieder tauchen jedoch Menschen in meinem Leben auf, die eine geradezu
saloppe Beziehung zu diesem Thema haben. Sie sagen für gewöhnlich: „Wat soll
dä Quatsch? Da steht mindest, leisetreterisch, ängstlich bemessen usw.“
Ich aber sage Euch: Da steht Lebensmittelvergiftung, Unverträglichkeitsreaktion,
Tod und Verderben.

Neulich begab es sich, dass mir kochendes Wasser über den Rücken geriet, was
an sich ja schon unangenehm genug ist, jedoch wollte man die Wunde mit einem
Salbenverband abdecken der bereits im März 1999 abgelaufen war, ranzig und
braun sollte er auf meiner Alabasterhaut kleben. Ich rannte Zeter und Mordio
brüllend davon und schloss mich im Keller des Wüterichs ein.

Doch, was musste mein armes Herz erblicken! Eine Brutkammer des Verderbens,
Vergehens, Verwesens und aller sonstigen Ver- Wörter.

Ich stieß auf Artischockenherzen abgelaufen 1988, Bambussprossen von Läden
die vor hundert Jahren Pleite gemacht haben, Nudeln von 1990, Medikamente
von1960, Gasflaschen mit abgelaufenem TÜV, Dosen mit alten Postleitzahlen, Made
in West Germany und das alles mit brennenden Rücken.

Was soll ich sagen, der Rücken heilt langsam, der Riss in meiner Seele wohl
nie, niemals, Verfallsdatum 1.000.000.000 sozusagen.

Gehet alle hin in die Keller eurer Großeltern, Eltern und sonstiger potenzieller Sünder
und suchet mir das am weitesten abgelaufene Produkt.

Dieses wollen wir zur Schande des Betreffenden in unserem weisen Blättchen
veröffentlichen.

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Sollte man meinen, dachte ich mir

Der Kaufhof in Berlin veranstaltet um Weihnachten immer eine herzallerliebste Aktion:
die kleinen und die großen Konsumopfer dürfen ihre Wünsche aufschreiben.
Was dabei rumkommt wird, nach kräftiger Zensur, ins Schaufenster gehängt.
Achtzig Prozent der Erwachsenen wünschen sich vorsichtig „ein bischen mehr
Zeit für meine Familie“, dabei wollen sie nur mehr Bewunderung, Geld und Sex.
Ich habe das geschrieben, es wurde aber nicht aufgehängt.

Am ekelhaftesten fand ich den Eintrag:

„Ich wünsche mir ein bischen mehr wirs und weniger ichs! – Ute, 37, Mitmensch“

Sie hat allen Ernstes mit „Ute, 37, Mitmensch“ unterschrieben (kotz, würg)!

Ute Du armes frustriertes Mitmenschlein,
wie kann man nur so verlogen sein?

Alles was Du, Ute, wolltest, war ein Platz im Schaufenster, incl. Menschen die
Deine gottgleiche Weisheit bewundern! Ekelhaft egoistischer kann man nicht
sein und ich kann Dich quasi vorm Kaufhof stehen sehen, wie Du auf Deinen
Eintrag deutest und „ich, ich, ich hab das gemacht“ brüllst, bevor Du zu
irgendeiner Lichterkettenaktion gehst, um eine Fackel gegen irgenwas zu entzünden,
aber pass auf, dass sie groß und hell genug ist, damit Dich alle sehen,
Ute Du kleines Licht.

Aber pass auf, den letzten Erlöser haben sie ans Kreuz genagelt.

Die wahre Weisheit tat wieder einmal Kindermund kund:

„Ich wünsche mir einen
Computer und ein Spiel dafür – Benno, 8 J.“

Richtig so, was sollte man sich sonst vom Kaufhof wünschen, der mit Idealismus
soviel am Hut hat, wie Ute mit Mitmenschlichkeit.

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Winter und Wattestäbchen

Die Wege aus der Atemnot sind mitunter verschlungen. So muß ich mir
neuerdings Wattestäbchen, die mit einer säuregleichen Tinktur versehen sind, bis zum
Anschlag in die Nase stecken.
Danach muß ich mir 15 min lang das Gesicht verbrühen.
Das alles weil mir mal ein Zwerg meine Nase brach.
Dummdidumdidum…..

Ok, ok, nicht weiter betteln, „warum“ fragt sich der urst Neugierige.
Erstens habe ich einen ehrgeizigen HNO Arzt, der wahrscheinlich sehr viel
Humor hat, denn es sieht nicht wenig unelegant aus, am Küchentisch mit
Säurestäbchen in beiden Nasenlöchern zu sitzten und leidend dreinzuschauen. Aufgrund
der Zwergengeschichte kann ich zudem das eine Stäbchen bis in mein Großhirn
schieben und das andere nur bis zur Nasenwurzel (sieht laut Silke super aus).

Zweitens darf ich mein Gesicht zwecks innerer Reinigung über kochendes Wasser
halten (Vielleicht irgendwas Brahmanisches).

Dann mußte ich auch noch zur Computertomographie, das ist, wenn man
entwürdigend, grotesk liegend, auf einer Bahre in eine Röhre (nicht Ofen) geschoben
wird (vielleicht irgendein Fruchtbarkeitsritual).
<p<
Ich darf noch nicht einmal ein Taschentuch benutzen, sondern muß meine Nase
wie ein Höhlenmensch hochziehen, was mich nicht beliebter bei den High-
Society Schlampen macht ("voll der Schwein, ey").
Das alles wegen eines brutalen Karatezwerges der mir vor acht Jahren mal die
Nase brach.

Aber wer kann schon von sich behaupten: „Brutaler Karatezwerg schlug mir die
Nasenscheidewand krumm“ oder als Society-Schlampenversion: „Der hat mich
voll Tomograph gemacht“?!

Eben.

Veröffentlicht unter erik

Bintalibanistan

Ich weiß nicht wie es anderen geht, aber ich befinde mich in einem Zustand ununterbrochener Informationsaufnahme und -verwirrung.
Leider leide ich jedoch an einer sehr eigenen Krankheit; der Wissensvermüllung.
So weiß ich z.B., daß die Federn der Pfauen eigentlich farblos sind, jedoch nicht wirklich, wann man ein Semikolon setzt.
Ich weiß das Bienen das ultraviolette Spektrum wahrnehmen können und ST37 schweißbar ist.
Aber ich weiß sonst anscheinend weniger als alle um mich herum.
Sie wissen, dass „die da unten sich ja nur ausgrenzen wollen“, sie wissen, dass dort Frauen schlecht behandelt werden, sie wissen, dass die USA in irgendeiner Weise in einer Verschwörung drin steckt, in der es meist um Öl und Waffen geht, oder wie man die Attentäter kriegen kann.
Ich selbst mußte erst einmal herausfinden wo Afghanistan liegt, wer die Taliban sind, welche Informationen Informationen sind und ich darf behaupten weit bin ich noch nicht.
Alle wissen auf einmal, wie sehr wir bedroht sind, wie wir angegriffen werden und womit, alle sind sich einig: die „Innere Sicherheit“ muß verstärkt werden gegen etwas, das man aber laut Selbstaussage nicht einmal als Gefahr erkennen kann, wenn es einen in der U-Bahn grüßt.
In den letzten Tagen habe ich 100 mal die Frage gehört: „Wie schützen sie uns davor?“, und eben sooft (nach ausschweifenden Vorreden) die Antwort: „davor kann man sich nicht schützen“.
Aber innere Sicherheit um jeden Preis.
Aber das kann ich ja noch in der allgemeinen Hilflosigkeit verstehen. Auf eine unsichtbare Gefahr reagiert man eben mit blinden Aktionismus.
Was ich nicht verstehe ist, daß so viele Menschen um mich herum plötzlich alle Zusammenhänge verstehen und leidenschaftlich verteidigen.
Alle Muslime/Islamisten wollen mich demnach töten, obwohl Ugûr mir gar nicht diesen Eindruck macht. Die Aktion in Afghanistan ist entweder genau das richtige oder falsche, je nach Gesprächspartner.
Die USA sind Opfer oder Täter. Ein Krieg muß sein oder darf nicht sein.
Dazu darf ich mir tagein tagaus absurdeste Theorien anhören
(z.B.: „die USA haben das Flugzeug selbst geflogen, um die Rüstungsindustrie anzukurbeln“, mein persönlicher Platz eins).
Das ich mich auch nicht schützen kann weiß ich selbst, daß mir der Einsatz der USA suspekt ist weiß ich, aber auch das ich nicht weiß, was man tun sollte, das ich zuwenig über alles andere weiß und herausfinden will ist mir klar.
Über den Rest halte ich den Mund, um nicht noch mehr diffuses um die wenigen wirklichen Fakten zu blasen.
Wie viele Einwohner hat Afghanistan?

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Der modernisierte Kinderfresser

Es war an meiner Zeit erstmal ein Pausenbrot einzulegen, das vorsorglich eingepackte Sixpack wird verteilt und verzehrt, gedrückte Stimmung.
Seit unserer Flucht von der Redaktionsgaleere hat sich viel ereignet, wenig davon ist erfreulich zu nennen.
Beginnen wir, wie es sich gehört, am Anfang.
Fangen wir dort an, wo alles beginnt.

Es ist einer jener Tage wo die grausame Hand des skrupellosen Schinders einmal mehr seiner Willkür über uns alle frönt.
In kleinen Verschlägen aneinander und übereinandergereiht, kauert die Tagschicht des „technisierten Kinderfressers“; in ihren Käfigen nur die Hitze und eine kleine Tastatur.
Dumpf und schnell tönt das Metronom, nach dem wir zu Schreiben haben. Sind wir zu langsam, setzt es Elektroschocks.

Alle sehnen sich an die gloreiche Zeit vor der Rationalisierung zurück, als man noch dekadent in Ledersesseln diskutierte was man als nächstes zu tun gedenke, irgendwann, und was man nun als nächstes trinken würde.
Doch unsere Lebensart, unsere Verschwendungssucht, unsere total überzogenen Gehaltsforderungen und unsere lockere Moral trieben uns an den Rande des Ruins.
So ist es wahrscheinlich auch verständlich, daß wir uns bereit erklärten alles zu tun für jemanden, der den Karren aus dem Dreck holen würde.
Und wir bekamen Captim, er versprach uns allen Ruhm und Reichtum, wenn wir einwilligen würden, nach seinem System zu arbeiten.
Arglos unterschrieben wir.
Wir erhielten ein wunderschönes Forum.
Wir bezahlten es mit Knechtschaft.
Von nun an war nichts mehr so wie vorher, statt Redaktionsorgien gab es die Peitsche, statt Crashrennen mit Cashewkernen im Neuwagen Akten stapeln und sortieren.
Durch geschickte Manipulation wurden wir mehr und mehr in die Abhängigkeit der Redaktion getrieben, wer nicht spurte wurde „ehrenhaft entlassen“, keiner wollte wissen was das bedeutet, doch das Lächeln in Captims Gesicht nach einem „Mitarbeitergespräch“, wie er es nannte, sprach mehr als tausend Bände.

Ein weiterer Schock durchzieht meinen Leib und ich winde mich vor Schmerz, das Jaulen aus meiner Nachbarzelle verrät, das Kollege Kai wohl auch zu lange in Melancholie verharrte, schnell beeile ich mich etwas lustiges über Ziegen zu schreiben, eine weitere Rationsstreichung wegen eines mißlungenen Artikels werde ich wohl kaum überleben.

Es geschieht an einem Samstag, als Captim uns eröffnet, er habe einen Weg gefunden die Stromkosten zu senken.
Ein einfacher Wechsel zu Yellow- Strom habe dies ermöglicht und alles was wir dafür zu tun hätten wäre in all unsere Texte unterschwellige Werbebotschaften einzuflechten.
An diesem Tag kommt es zum Aufstand, Elektroschocks sind unmenschlich, aber auch noch mit politisch unkorrektem Atomstrom, daß ist der kleine Schritt zu weit.
Dank dem Simpsonssyndrom sprengt jemand seine Zellentür mit einem Sprengsatz aus Cola und Frigobrause, zusammengebracht in seiner Trinkflasche, die Redaktion wird in Brand gesteckt und unter Solidaritätsrufen und dem Bellen der Hunde unserer Häscher beginnt die Flucht derer, die sich schnell genug befreien konnten.
Unsere Truppe entkommt durch einen einfachen Trick: wir verkleiden uns als Pfandflaschen und werden vom pfennigfuchsenden Captim
am Büdchen im Foyer eingelöst.
Von dort aus Taumeln wir, geblendet vom grellen Tageslicht in unsere neugewonnene Freiheit, selbstverständlich erst nachdem wir alle unsere 15 Pfennig Pfand beim Hausmeister abgearbeitet haben.
Als Fluchtfahrzeug bleibt uns nur Kais Ente, alle anderen Privatwagen wurden gewinnbringend veräußert, weh oh weh mein schöner Silberpfeil.

Acht Mann in einer Ente entfliehen gen Sonnenuntergang als einziges Gepäck die Hoffnung auf ein wenig Würde.

Doch zuerst verdienen wir unser Brot, indem wir uns öffentlich demütigen lassen, sprich wir arbeiten im Drive Thru des örtlichen Mäcces, die Enge der Kabine sind wir ja gewöhnt, das ganze wird jedoch mit Rauswurf enden, weil wir ständig die Majo vergessen, so ein Scheiß.

Immer wieder Sonntags

Was hänge ich eigentlich hier rum? Was könnte man nicht alles erreichen an so einem Sonntag! Aber nein, ich hänge nur ab, wie irgend so eine NO Futur Type, unmöglich sowas!
Man könnte sich ja mal aufraffen und seinen abgeschlafften Abhänger-Körper in Form bringen, mit Joggen, Schwimmen, Fahrrad fahren oder sogar Bodybuilding! Aber nein, ich muß ja unbedingt bis zwei Uhr schlafen.
Auch das Ehrenamt hat einiges für sich, der Jugend könnte man auf den rechten Weg helfen, von den weisen Greisen lernen, oder im Gottesdienst die Kollekte eintreiben, auch die freiwillige Feuerwehr sucht nach mutigen Rettern.
Aber was tu ich? Genau bis vier Uhr nachmittags frühstücken, ich glaube es hackt!
Fürs Leben lernen könnte ich auf all den schönen Waldlehrpfaden, oder mir eine Fremdsprache aneignen im besten europäischen Gedanken.
Oh, all die Weltliteratur die ihrer Interpretation harrt – und warum nicht selbst welche verfassen?
Welch verlorene Stunden, die ich in der Sonne liegend im Park verschwende, fauler als das sprichwörtliche Faultier. Es würde mich nicht wundern wenn mich bald die Trunksucht oder die Melancholie in ihren Fesseln hält, bei meinem unlauteren Lebenswandel.
Was hänge ich nur hier rum? All die Stunden die ich nur an meine Liebe denke, anstatt den Garten herzurichten, den Bürgersteig zu fegen, das Haus zu streichen, ja, Hans-Guck-in-die-Luft und morgen über das undichte Dach jammern, schlimm sowas.

Und dann immer dieses herumgetreibe mit dem Kinderfresserpack, das nimmt doch kein gutes Ende, ich weiss es ja.

Ach, all die vertanen Sonntage an denen ich hätte Präsident werden, den Mars erforschen, alle Krankheiten besiegen, den Weltfrieden bringen, die Inflation und den Walfang und die Frauenbewegung stoppen, eine Nation werden, die Bibel übersetzen, Picasso verstehen, den Müll runter bringen, Bücher über Internetetikette schreiben, Kontakt zu Außerirdischen aufnehmen, die Genforschung revolutionieren, meine fünfte Million machen, den Vollmond leeren, den Friedensnobelpreis stiften, die Krankenkassen und Ärzte zusammenführen, den Kinderfresser aktualisieren, meiner Mutter schreiben, die Leiden der Welt lindern, die Unvollendete vollenden können.
Aber ich häng ja lieber rum.

Selber Schuld!

Unsterblichkeit

Der Papst nippelt ab wie seine Kirche, aber seinen Sankt hat er trotzdem in der Tasche, ich bin durch den Kinderfresser lebendiges Kulturgut und somit unsterblich aber was, frage ich mich, machen die unzähligen Normalsterblichen?

Liegen sie die ganze Nacht wach, in der Angst, nimmermehr wachzuwerden, wälzen sie sich von einer Seite ihres Bettes zur anderen. während sie die Frage quält, ob sie morgen schon vergessen sein mögen?
Frühstücken sie das bittere Brot des Nichtigseins, neiden sie Aischylos, Meisel oder Goethe jeden Buchstaben ihrer Namen?
Hören sie jede Sekunde ihres Daseins den Schrei nach postmortalem Ruhm?

Ich bin überzeugt, so muß es sein, gerade in dieser wahnsinnig schnellebigen Wegwerfgesellschaft.
Doch all ihr Gebeutelten, Vergessenen, Ruhmsüchtigen, wie könnte es anders sein, der technisierte Kinderfresser erinnert sich an euch.

Und so geht’s:
Lebenslauf, besondere Verdienste und einen Verrechnungsscheck ab 10.000 Euro beilegen und wir erinnern uns 10 Jahre lang an Euch, jede weiteren 1.000 Euro sind ein Jahr mehr (bis zu 100 Jahren wenn Paul etwas in der Genforschung erreicht).
Über 100 Jahre Erinnerung und ihr werdet für nur 10.000 weitere Euro pro Generation (X,Y oder wie auch immer, eine Generation ca. 10 Jahre, Füllhöhe transportbedingt) „Gedenkplus Kunden“ und bekommt eure eigene Gedenkminute auf unserer Seite.
Für etwa 100.000.000 Euro in Gold oder Diamanten nennen wir unsere Seite nach eurem Ableben eventuell in eure Namen um, wenn wir Lust dazu haben.
Also, was wartet ihr noch, schickt sofort eure Erinnerungswünsche an den technisierten Kinderfresser und ihr werdet nie wieder dasitzen und euch fragen müssen, ob das schon alles war!
Endlich wieder ruhig in der Gewissheit einschlafen können, daß ihr morgen schon tot sein könntet!
Und wenn ihr jetzt sofort bestellt, bekommt ihr gratis unsere Domain in den Grabstein gemeißelt, als extra Service für unser ganz besonders toten Kunden!

Mit freundlichen Grüßen und fröhlichen Sterben verbleibt:

Ihr technisierter Erinnerungsfresser

(Achtung, diese Angebote verpflichten den technisierten Kinderfresser zu gar nichts, überhaupt nichts, nüschte sozusagen. Wenn ihr uns trotzdem euer Geld in den Rachen stopfen wollt : bitte, nichts dagegen, macht doch, werdet ja sehen was ihr davon habt, gar nichts nämlich.
Und wenn dann jemand kommt und uns fragt ob wir uns tatsächlich an irgend so einen Hans Müller erinnern, dann prusten wir dem eins, wenn wir gerade Spaß dran haben werden wir vielleicht gucken wofür wir dessen Geld verpulvert haben, aber eins sag ich ihnen jetzt schon: wir werden nie Spaß dran haben, ha, ha.
Wie gut das nie jemand das Kleingedruckte, geschweige denn einen Artikel bis zum Ende liest.)