Mexiko weist Pornodarsteller aus

Bei uns in der Agenturkantine liegt die Süddeutsche Zeitung aus. Morgendlich angenehme Lektüre der Nachrichten des vergangenen Tages. Jeden Tag nehme ich mir diesen Wälzer vor, der, manchmal so scheint es, sozialdemokratischen Bastion in Bayern. Nachdem ich den mittwochschen Immobilienteil mit einem müden Lächeln überblättert hatte, früher habe ich das nicht getan, sondern auch mal interessiert reingeschaut, aber als Berliner schüttelt man doch nur fassungslos den Kopf angesichts von Miet- und Kaufpreisen annähernd in der Höhe der Altschuldenlast der Bundeshauptstadt an der Spree, lande ich auf der Panoramateil, den Blick über die Wies´n hinaus, das Fenster in die Welt. Und dort lese ich, als kleine Randnotiz, kaum sichtbar durch einem regelmäßigen Lesefluss, abfällig hingeklatscht: „Mexiko weist Pornodarsteller aus“. Der Junge Mann hatte es wohl auf einer Sexmesse sich wund gerieben, darf´s deshalb jetzt gar nicht mehr treiben und wurde deshalb vertrieben.

Ich habe mich auch einmal als Erotikdarsteller probiert. Ein unbezahltes Schülerpraktikum in der neunten Klasse. Vorausschauender als jedes gängige Praktikummodell und für einen Jungen im Alter von knapp 15 Jahren 14 Tage das Paradies auf Erden. Ich bin also persönlich betroffen. Ich lernte wie man Spermaersatz anrührt, der immer dann zum Einsatz kommt, wenn besonders kunstvoll männliches Ejakulat über den penetrierten weiblichen Körper laufen sollte und ich sollte feststellen das Länge doch eine Rolle spielt. Was ist eine Double-Penetration, ein Fistfuck, Cum-Shot, GirlGirl, BoyGirl, BoyBoy, BoyGirlGirl, GirlBoyBoy, Bondage, GangBang, Interracial? Das konnte mir bisher keine „Bravo“ bieten und selbst der Goldstaub von „Coupé“ und „Playboy“ lagen ab jetzt wie Flusen in meiner Vergangenheit. Hier stimmte die Bezahlung, die kommunikative Ebene, der Teamgeist und man befruchtete sich gegenseitig um zum Optimum zu kommen. Manche Marketingratgeber bedienen sich deshalb auch sehr gern am Erotik-Cineastischen-Vokabular.

Zurück zum Mexikanischen Bett-Rodeo, was sicherlich an diversen Stellen an Tarantino´s Klassiker „From Dusk till Dawn“ erinnert haben muss. Was erwartet der gemeine Sexmessen Besucher? Man trifft viele Franks und Gabis, die mit Federn beschmückte Katzenmasken aufsetzen, im Orion Verwöhnset, bestehend aus einem Schdring-Tanga, einem Büschtey und dem Strätsch-Body für Ihn. Die erotische Erfahrungswelt solcher Pärchen, spielt sich vor allem in schmuddeligen, holzgetäfelten Hobbykellern ab, wo in der Mitte des Raums eine kaltnasse Gummimatratze liegt, auf der sich dann die Barmer-Versicherungsangestellte und der Einzelhandelskaufmann treffen um ihren Gewohnheiten zu frönen. Ein Papierhandtuchspender hängt an der Wand und das latent orgiastische Stöhnen wird nur durch das quietschen einer ehemaligen Fiss-Fensterputz-Pumpflasche gestört, in der jetzt grünlich schimmernd Desinfektionsflüssigkeit auf ihren Einsatz wartet.

Hier werden noch Phantasien war, und wenn mann oder frau Glück hat, wird mann oder frau auch noch Protagonist einer Pseudoreportage von RTL2 oder Wa(h)re Liebe, in denen dann ausführlich über Fick- oder Blasgewohnheiten der Clubbesitzer referiert wird und in Großaufnahme braune, randharte Bierwurst auf Eisbergsalat zu sehen ist. Das ist so in Chemnitz und auch in Mexiko.

Da lieb ich mir doch die Wäscheseiten aus dem Quellekatalog, die ich als Frühpubertierender mit meinen wildesten Phantasien überzog.

Die Lange Nacht der Museen oder wie mir Arte ein wenig zu nahe kam

Die Museumsinsel sieht aus wie eine Goebbels-Inszenierung. Riesige Lichtsäulen schiessen in den Himmel und scheinen den Rest der Welt zu bedeuten, Berlin: Hurra, wir leben noch! Von irgendwoher hört man digital erzeugtes Vogelgezwitscher. Bildende Kunst. Es ist die Lange Nacht der Museen. So geschehen gestern Abend und meine Freundin an meiner Seite, wir beide mittendrin. Zu allererst mal zum Checkpoint Charlie. Touristen gucken. Hier sieht man sie alle: Schulklassen, Zonen-Gabis, Besser-Wessis, IM Christians, James Bonds und natürlich die vier Alliierten in Form von meist gutbeleibten Erlebnisspannern und anstatt mit AK-47 oder M-16, bewaffnet mit Nikon, Sony oder Fuji. Schließlich möchte man wissen, wohin Papa immer gefahren ist, in seiner Uniform oder selbst überprüfen ob man sich, hoffentlich nicht, auf irgendein Foto wieder erkennt.

Als Ex-DDR-Kindergarteninsasse sehe ich mir die Bilder mit einem Gefühl von Betroffenheit und seltsamer Zurückhaltung an. Irgendwie fühle ich mich, als schaue ich im Naturkundemuseum auf einen ausgestorbenen Dinosaurier, bloß unbedeutend klein und fürs Gesamtkonzept unwichtig, ich mittendrin als Knorpelstückchen. Nach einem Rundgang, vorbei an Videoinstallationen, Einzelgeschichten und drapierten Fluchtwerkzeugen, landet der Ausstellungsbesucher automatisch im angeschlossenen Devotionalieneinzelhandel, um dort geschichtsträchtig Mauerstückchen in der Größe einer Wallnuss oder T-Shirts zu erstehen. Von irgendetwas muss der Abriss ja rückfinanziert werden.
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Sehr schön ist der von der BVG eingerichtete Shuttleservice. Ziemlich schnell wird uns klar, warum der Fahrpreis schon mit dem Eintritt verrichtet wurde. Einzelabrechnungen der Fahrten würden mit Faustschlägen enden. Der Bus stinkt nach menschlichen Ausdünstungen, es ist zum bersten voll, wie auch zwei Drittel der Mitfahrer. Wir wollen zum Palast der Republik. Dem vom Abriss bedrohten Asbest-Referenzmodel an der Spree.

Findige Marketingstrategen und hippe Leute aus Berlin-Mitte, die in den letzten Jahren schon allen Scheiss gemacht haben, um Papas Geld, welcher dieses hart in München mit einer Schönheitsfarm erarbeitet, durch irgendwelche Projekte, möglichst mit viel Krabumm aus dem Fenster zu schmeissen, haben sich gedacht: Mensch, nennen wir das Ding doch mal für ein paar Wochen „Volkspalast“, holen damit das besagt Volk weg von der Straße, raus aus den Demos, rein in das Stahlgerippe im Betonmantel. Es riecht hier nach Gucci-Rush und man sieht sehr viele Boss-Outletstore Anzüge, darüber nichts sagende GQ-Gesichter deren einzige literarische Bildung jeden Monat die schon benannte „GQ“ und die „Fit for Fun“ sind.
An der Wand hängen Lichtspiele, die mich an „Eins, Zwei oder Drei“ erinnern, denn zum Bass eines „Kraftwerk“-Cover-DJ´s flackern die immer so schön grün auf. Das Palastinnere ist heute Nacht zum feiern da. Yes, hier wird gesteppt. In welchen Club in Mitte kann man wohl auch zurzeit so hipp posieren? Und wenn dann die Verkäuferkolleginnen im Schuhladen auf der Kastanienallee fragen, kann frau und mann dann bedeutungsschwanger und geschwelten Brust sagen: „Oh, ich war bei der Langen Nacht der Museen“ Bloß raus hier. Ich möchte auch dass er nicht abgerissen wird, aber unter den 12cm-Stöckeln, wird jede Illusion nach einer sinnvollen Nutzung totgetanzt. Das nennt man wohl Kulturschock.

Quer über die Straße, rein ins „Alte Museum/Antikensammlung“. Das von Rommel liebevoll zusammen geraubte und erbeutete Kunstgut der Antike bewundern. Mich interessiert das nicht. Alles sieht aus wie nach einem Polterabend, nur das die Scherben hier in Vitrinen liegen und die aufgestellten Figuren, Marke „David“ werden heute, besser und vor allem mit allen Extremitäten und Nasen auf Osteuropäischen Wochenmärkten zum Kauf für den Kunstorientierten Kleingartenbesitzer angeboten, der diesen dann im Handumdrehen an den Gartenschlauch anschließt, woraufhin ein nicht zu verachtender Strahl aus seinem Gasbeton-Genital plätschert.

Wir setzen uns hin. Die Füsse schmerzen, die Augen drücken. Es ist kurz vor zwei Uhr nachts. Mit einem Mal postiert sich ein junger Mann mit einer Breitbildkamera vor uns und bittet uns in die Linse zu schauen, als würden wir Kunst bewerten. Er will nur unsere Augen. Er ist von Arte. Er blickt mir mit seinem Objektiv tief in meine Seele, sieht sich in meiner Pupille. Ich bekomme eine Gänsehaut. Ich fühle mich wie die offenen „Weihenstephan“-Buttermilchbecher, die draußen kostenlos verteilt wurden: leer und benutzt.

Gibt es eigentlich Menschen, die Sextips aus Frauenzeitschriften ernst nehmen?

Neulich, als ich beim Zahnarzt im Wartezimmer saß, verlangte es einfach der Anstand von mir, eine Frauenzeitschrift zur Hand zu nehmen und
so meine Zeit während des Wartens zu vertreiben. Ist ja nun auch höflicher, als in der Gegend herum zu starren. Da liegen dann diese ganzen Zeitschriften auf dem Tisch, mit Mühe zu einem großen Fächer geordnet und die Langeweile zwingt einen ja doch immer dazu. Na jedenfalls griff ich mir eine der diversen Frauenzeitschriften und schlug sofort die Seiten mit den „Ultimativen Sextips“ auf. Zufällig versteht sich.

Eigentlich kennt sie ja jeder, diese Artikel mit Überschriften wie: „200 Stellungen, die sie garantiert noch nie gesehen haben – So werden sie zum Sexgott!“ und natürlich „Wie sich die Frage: „Wie war ich…?“ auf immer erübrigt!“
Jedenfalls stellte sich mir die Frage, welcher Liebesgott ist für diese schriftlich niedergelegten Ergüsse von sexuellen Weisheiten eigentlich verantwortlich, was ist das denn so für ein Mensch? Da las ich doch tatsächlich,
dass es anregend sein soll, sich gegenseitig die Schamhaare zu rasieren oder Fisch und Käse von einander zu essen – da riecht der eine
aus dem Hals nach Fisch und der andere nach Harzerroller, ja echt lekker, hab ich mir da gedacht.

Ob die Frau neben mir auf sowas steht? Ich glaube es ist wichtig, einmal über dieses Thema zu schreiben. Stellen wir uns doch nur einmal die folgende Situation vor: Ein Paar liegt abends zusammen im Bett und dann sie: „Du Schatz, ich hab da neulich in meiner „Susi“ gelesen…“ STOP! Ab spätestens diesem Zeitpunkt muss ER doch anfangen sich zu fragen, was er eigentlich falsch gemacht hat, was wird dann aus seinem Selbtsbewusstsein?!

Und was ist mit so nem verklemmten Persönchen, das die Tips liest, aber nicht weiß, wie sie ihrem Kerl sagen soll, dass sie gern mal mit dem Nachbarn und ihm in einem Krankenschwesterkostüm, in der nächsten Karstadtfiliale…
Wo ist denn sozusagen der Beipackzettel mit den Anweisungen für die richtige Anwendung? Haben die Verfasser selbst Erfahrung mit ihren eigenen Ratschlägen? Muss man zu manchen Sachen pervers sein und son Kram? Oder nur um so zu schreiben?

Einiges ist ja noch niedlich, aber wenn da steht: „Massieren sie ihn an geheimen
Lustpunkten! Zum Beispiel Anus!“ Also Finger in Po, oder wo?
Machen sie nen Gipsabdruck vom Allerwertesten ihres Partners!“ Als Überraschung
für Schwiegermama oder zum An-Die-Wand-Hängen ganz nett, aber a)den verewigungswürdigen Arsch hat auch nicht jeder und b) das ist doch sau die Schweinerei mit dem ganzen Gips, das krümelt und man kleckert doch.
Ein paar Seiten später bei den In und Outs werden dann Latex-Brustabdrücke als Out bezeichnet,wo ist denn da die Logik?

Das hatte mich alles ziemlich verwirrt und ich kann doch unmöglich der einzige Mensch sein, der sich die Fragen Warum und Wer und Wie stellt
(leider). Und das macht mich ein wenig traurig und ich sehe mich gezwungen, diese Fragen nur mit noch mehr Fragen zu erweitern, konkretere
Fragen wie: „Ich möchte mal wissen, wer hier im Wartezimmer sowas schon probiert hat“, „Muss man denn pervers sein, kann man nicht noch wie früher
ganz normalen Sex haben, jedenfalls ab und an?“ und „Wo kriege ich nun so ein Hawaii-Baströckchen her?“

Es wird gelesen,was auf den Tisch kommt (im Wartezimmer), ohne auch nur zu ahnen, wer da gekocht hat und mit welchen Lebensmitteln, aber vor allem, ob diese noch haltbar waren.

Veröffentlicht unter becky

Wie ich einmal um vier Zähne ärmer und um einige Erfahrungen reicher wurde

Erster Lagebericht

Noch sind sie drin,sollte ich es mir noch einmal überlegen?
Ich pack das schon, so schlimm wird das außerdem bestimmt gar
nicht. Nicht so wie bei David (bei dem haben die Spritzen noch nicht gewirkt und
er hat gemerkt, wie das Skalpell sein Zahnfleisch durchtrennte
…) oder wie bei Tina, bei der sich das gleich zwei mal entzündet hatte (beim ersten Mal wegen
Essensresten
in den Löchern und beim zweiten Mal wegen Alkoholkonsumes…) und
dann war die letzte Geschichte die ich noch gehört habe, bei einer, die fast an der Schwellung erstickt wäre….

Zweiter Lagebericht

Das ist eine ganz gewöhnliche Routine-Op,das macht der doch jeden
Tag und mehrmals.

„Guten Tag Frau XXX! Ich darf doch noch Du zu dir sagen?“
(Aber nur,wenn ich sie „Böser-Mann-in-weiß“ nennen darf)

Ich nuschele meine Antwort,denn ich stell mich ja nicht an.
Wenig später sitze ich in einem kleinen normalen Zahnarztzimmer
und sehe Elvis-Best of Album-Werbung an. Vor seiner Medikamentensucht hatte der Mann mal tolle
Hüften und ich überlege, das ganze komplett ohne Schmerzmittel durchzustehen. Man weiss ja nie.

Eine Helferin hat alles vorbereitet:
Vor mir ein Tablett: Meißel, Skalpell, ne kleine
Schleifmaschine, Tupfer, Flex und so andere Dinge.

Jetzt ist er zurück, nun bekomme ich die 6 Spritzen, je eine für jeden
Zahn und dann zwei in den Gaumen.
Nun die erste: war ja gar nix
die zweite: grummel
die dritte: ahhh
die vierte: wo hat der das denn gelernt?

Zwanzig Minuten Einwirkzeit für die Betäubung, ich spüre wie mein
Kinn scheinbar immer größer und schwerer wird, mein Hals
„scheinbar“ zuschwillt und ich
sofort an das Mädchen denke, das künstlich beatmet werden musste.

Nun ist es aus, ich sabbere vor mich hin, kann nicht mehr
schlucken, fühle mich
gedemütigt, meiner Sprache beraubt, die einzigen Worte sind jetzt
eher Würggeräusche und silbenloses Brabbeln.

Die Helferin, sie scheint mich zu verstehen! Sie lächelt mich an
und ich versuche ihr zu erklären, das bei einem Freund die
Spritzen nicht gewirkt haben.
„Das werden wir ja merken. Wenn es zu stark wehtut sag Bescheid,
dann spritzen wir nach!“ No comment.

Dritter Lagebericht

Der Ernstfall

Der Doktor ist da,er kommt an mich heran, öffnet mir mit
hypnotischen Worten
den Mund und er legt los:

Er schnippelt hier, er schneidet da, reißt mir das Zahnfleisch
auseinander damit er an die Wurzel kann, auf in den Grund meines
Kiefers dort, wo die Kleinen
sitzen und darauf warten, als Manschettenknöpfe zu enden.
Jetzt schaut er – seine Helferin fleißig und flink mit dem
Sauger dort wo mein Blut endet (an den nicht betäubten Stellen meines
Gesichtes merke
ich die Spritzer )- wo die Dinger sitzen.

Nun schnippelt er noch schnell die Schleimsäckchen ab, die hat
jeder Zahn. Jetzt kommt die Schleifmaschine,sie schneidet den
Zahn heraus,ich höre das laute
Kreischen.

Zu guter letzt: „Jetzt drückt es ein wenig.“
Ein furchtbarer Schmerz, er bricht die Wurzelreste heraus, drückt
dabei nochmal schön auf die Nerven.

Dieses viermal vollzogen, dann schnell zwei dicke Tampons in
meinen Mund gestopft und die zwanzig Minuten sind um.
Da ich nicht mit leeren Händen nach Hause kommen wollte, nahm ich
meine Zähne
natürlich mit.

So saß ich da und hatte noch keine Schmerzen mit meinem Kühlkissen
um den Kopf.
Erst am Abend waren sie da, rechneten aber nicht mit Dolomo TN, dem besten
Schmerzmittel auf dem Erdenrund. Mein Gesicht
schwoll ein wenig an, aber ich konnte mich schließlich von
Tomatensuppe und Apfel- und Bananenmatsch ernähren. Keine
Erstickungsanfälle, keine blauen Flecken im Gesicht und morgen
wird die Schwellung nicht mehr zu sehen sein.

PS: meine letzten Worte vor der OP hätten so klingen können:
Ich hoffe ich werde ihre Nasenhaare nicht anstarren.

Veröffentlicht unter becky

Helpensteins historische Nachrichten IV

Hach! Wie herrlich irrational ich diesen Winter doch bin! Vor einigen
Monaten noch hätte ich nicht im Traum daran gedacht, esoterische Abende mit Sitahr
spielen zu verbringen und dabei Roibush (oder wie heißt der?)-Tee zu trinken.
Da hätte ich sicher verzückt gerufen: „Nein! Niemals! Ich werde niemals zum
Esoteriker, der auf einem Hanfsamenkissen sitzt und Sitar spielt.“ Aber
jetzt? Der Winter kam und um mich herum versank alles in tiefster Depression, die
Mitmenschlein ließen die Köpfe hängen wie die ungegossenen Primeln,
ernährten sich nur noch von Johanniskraut und Lichttherapien, Vitamin-C-Kapseln und
hochdosiertem Morphium intravenös (das letzte war durchaus übertrieben und
könnte so in gedruckter Form auf keinen Fall stehen bleiben, aber in einem
schnelllebigen Teckno-Internet-Magazin, oder auch e-zine, ist so etwas ja wirklich
nichts besonderes, und hier darf man sich schließlich jede noch so politisch
unkorrekte Bodenlosigkeit erlauben!). (Moment mal, apropos modernes Leben,
Lifestyle und fashion: habe ich da eben das Wort schnelllebig wirklich mit drei
l´s geschrieben? Ist das o.k. für den Leser? Ihr seid o.k. Ich bin o.k. Alle
sind gut drauf und furchtbar schnelllllebig, Big in Berlin sozusagen,
fantasma pur, mega urban (urban cookie colllektive, Dancefloor Projekt Anfang der
1990er Jahre, Anmerkunjg des Verfassers) und definitiv mondän, hups!)
Lassen wir das! Ich wollte doch über meinen esoterischen Winter schreiben.
Jedenfalls stürze ich mich in einen solchen, weil da draußen alles so ist, wie
es in der vorangegangenen Klammer vom Autor dieses Textes anschaulich
beschrieben worden ist.

Während also alle sich Psychopharmaka durch die Nase ziehen und krampfhaft
versuchen, nicht daran zu denken, dass gerade Winter ist, lasse ich alles
völlig nostalgisch auf mich zu schwämmen und genieße in ganzer Kraft. Obwohl mir
mein Gleiten und Treiben fast schon gespenstisch vorkommt, verglichen mit
einem völlig rationalen Frühjahr oder einem leichtfüßigen Sommer am Strand von
Malibu. Jetzt ist alles anders. Ich nehme Vitamine in Frucht- und nicht mehr
nur in Cocktail-Form ein, esse Nüsse und Schokolade und habe gar fast ein
kleines Bäuchlein angesetzt, aber nur ein kleines. Meine Seminararbeit über
Mythen und Kultplätze verschlingt mein ganzes Sein, dazu lausche ich
Genesis-Musik. „Aber doch wohl nur mit Peter Gabriel!“ wird da der Chor der
pseudointellektuellen Studienräte grummeln. Mutig und tapfer ergreife ich Mandoline,
Querflöte und meine Mittelalter-Leder-Schlappen-Schuhe (eigentlich sind es
Mokassins aus einem Indianer-Laden in der Düsseldorfer Altstadt) und trete den
Nörglern eisig entgegen: „Nein, auch noch mit Phil Collins, aber nur die pompöse
Epoche!“ rufe ich lauthals in den Winterwind und meine damit die sublimsten
Syntheshizer-Orgasmen (schnöder Feuilleton-Jargon, überflüssiges Blähwort,
Anmerk. des Verf.), die sich je auf einer Genesis-Platte tummelten. Aber auch meine
Ethno-Weltmusik-CD-Sammlung und Pink Floyd tun ihr Bestes, um mir den Winter
zu esoterisieren.

Neulich las ich ein Buch über Alltagsleben im Mittelalter aus dem Jahre
1981. Im Vorwort hierzu folgender Gedanke: „Ich gehe durch die Fußgängerpassage
und sehe ein junges Pärchen. Sie trägt Jeans-Hosen und ein rotes T-shirt, er
hat ein Bandabspielgerät in der Hand und trägt Kopfhörer an den Ohren. Zu den
Klängen der Abbas, Pink Floyd oder James Last lässt sich das junge Paar
treiben. Was wohl die schlesische Bäuerin dazu gesagt hätte, die um das Jahr 1500
ihr Feld bestellt?“ Ein herrlicher Vergangenheitstrip. Yeah! Die Abbas, Pink
Floyd und James Last. Natürlich, wer auch sonst. Sie waren schließlich das
Superband-Trio des Jahres 1981. Da hat Professor Arno Borst aus Freiburg mal
wieder voll ins Schwarze getroffen. Der wusste noch Bescheid, was in
studentischen Kreisen so los ist, Samstag vormittags in deutschen Fußgängerpassagen.
Kürzlich, am Anfang meiner esoterischen Phase, bin ich in einen Ethno-Laden
gegangen, wo der schwule Inder mit der Glatze und der Nickelbrille eine
deutsch-indisch-homoerotische Geschäftsbeziehung zu einem Deutschen mit Glatze und
Nickelbrille aufgenommen hat, und diese beiden dann Teebaumöl, peruanische
Strickmützen und Mohrrüben aus Ethno-Öko-Anbau an unschuldige Gläubiger
verticken, welche am Vorabend Monitor gesehen haben, wo alles wieder als verseucht
und gentechnisiert präsentiert wurde. So angeekelt bin ich noch nicht. Ich
esse alles brav auf, was mir die Abpackecke im Billigsupermarkt so bietet. So
ging ich also in den Laden, so ganz fesch zwischen Redaktionsaufenthalt und
Termin, jovial, wie man in Österreich auch noch sagen könnte, und griff beherzt
nach den Patjouly-Räucherstäbchen, die der Inder feilbot. Heureka! Was für
ein Anblick. Zwei indisch-deutsche Nickelbrillen-Skinheads, die von einem
hageren Jungsporn 4 Mark 95 für eine Packung Räucherkerzen verlangen. Dabei habe
ich seit fast fünf Jahren keine mehr gekauft und fühlte mich auch wie ein
14jähiger Bub, der sich das erste Mal in ein Pornokino begibt. (Jaja. Für die
Ethno-Kenner, -Schätzer und ­Liebhaber: Patjouly schreibt sich irgendwie
anders, aber ich glaube, die Inder wissen selbst nicht so genau, wie man es
schreibt, also beruhigt Euch. Es riecht jedenfalls herrlich nach dem alten Mann vom
Straßenstand (direkt am Nordportal des Friedhofs von Banjaipur), der dort
Ingwer auf einen Brei aus roten Linsen streut und ihn auf Fladenbrot serviert.
Wenn dieser Mann einen schlechten Tag erwischt hat und seine Dusche versagt,
dann riecht Patjouly genauso wie er.

Im März wache ich wieder auf, höre wieder anständige Jazz-Musik, spiele
normale Instrumente und lese ordentliche Bücher. Aber jetzt, jetzt darf ich
noch…

Es gab nichts mehr zu sagen

…weil schon alles gesagt wurde. Und alles war aufgeschrieben. Es
gab nichts mehr zu sagen oder zu schreiben. Die Worte – ja die
Sprach- und Schriftkultur war am Ende.

Das war der Moment, in dem ich überlegte, wie ich denn das
hier aufschreiben kann, wenn es doch keine Worte mehr gibt. Und
wie kannst Du das lesen, wenn doch schon alles gesagt wurde.

Es ist eine seltsame Zeit der Stille und Ruhe. Ein Selbstverständnis
liegt in der Luft, dass alle um mich herum ergreift. Es gibt keine
Veranlassung, etwas zu sagen, zu erklären oder seine Gedanken
auszutauschen.

Veröffentlicht unter marcus

Probleme mit Bier und wie man sie löst

Problem: Das Bier ist ungewöhnlich bleich und geschmacklos.
Ursache: Glas Leer.
Lösung: Lassen Sie sich ein neues Bier bringen!

Problem: Die gegenüberliegende Wand ist mit strahlendem Licht bedeckt.
Ursache: Sie sind nach hinten umgefallen!
Lösung: Binden Sie sich am Tresen fest.

Problem: Sie haben Zigarettenstummel im Mund.
Ursache: Sie sind nach vorne umgefallen.
Lösung: Siehe oben.

Problem: Das Bier schmeckt nicht, und das T-Shirt wird vorne naß
Ursache: Mund nicht geöffnet oder Glas an falscher Stelle im Gesicht angesetzt.
Lösung: Gehen Sie auf die Toilette und üben Sie vor dem Spiegel.

Problem: Kalte und nasse Füße.
Ursache: Das Glas wird im falschen Winkel gehalten.
Lösung: Drehen Sie das Glas, bis die offene Seite in Richtung Decke zeigt.

Problem: Warme und nasse Füße.
Ursache: Ungenügende Kontrolle der Blase.
Lösung: Stellen Sie sich dicht neben den Nächsten Hund und meckern Sie über
dessen mangelnde Erziehung.

Problem: Der Boden wirkt verschwommen.
Ursache: Sie schauen durch den Boden eines leeren Glases.
Lösung: Lassen Sie sich ein neues Bier bringen!

Problem: Der Boden bewegt sich.
Ursache: Sie werden raus getragen.
Lösung: Finden Sie heraus, ob man Sie in ein anderes Lokal bringt.

Problem: Der Raum ist sehr dunkel.
Ursache: Das Lokal hat geschlossen.
Lösung: Lassen Sie sich die Privatadresse des Wirtes geben.

Problem: Das Taxi nimmt plötzlich ungewöhnliche Farben und Muster an.
Ursache: Der Bierkonsum hat Ihre persönliche Grenze überschritten.
Lösung: Mund zuhalten.

(Quelle unbekannt)

Veröffentlicht unter listen

Das Zeitalter des Sternchens*

Werbung und Recht scheinen inzwischen so
unvereinbar zu sein, dass entweder die Aussagen der Werbung zu übertrieben
oder die Rechtslage zu uneindeutig ist, um noch eine
einzige Aussage ohne abschliessendes Sternchen zu
treffen. Die vorhergehende ausgenommen. Überall muss noch eine Anmerkung, eine Fussnote
plaziert werden, die das zuvorgesagte richtigstellt.

Diese Freisprechanlage für Mobiltelefone passt für alle Telefontypen.*

Sternchen: auf alle, bis auf Typen mit ausklappbarem
Mikrofon. Aber es verkauft sich doch besser, wenn man
erst man superlativiert. One size fits all. Besonders bei Neuanträgen
von Mobiltelefonen und Heimtelefonanlagen finden sich
Tarife, die ein Handy für 0,00 DM anpreisen – natürlich mit
Sternchen und einschränkendem Kleingedrucktem.

Manchmal fehlt das Sternchen auch komplett. Resultiert
das obengesagte noch aus dem inzwischen berühmten
„Objects in the rear view mirrors may appear closer
than they are“ auf Weitwinkelrückspiegeln von
amerikanischen Autos, sozusagen das Sternchen der Rückspiegel,
finden sich im Internet mehr und mehr kostenlose Downloads.

Hier geht es zum Download.*

Das klingt jetzt wie von vor dem Krieg: drückte man beim
Internet-Surfen 1997 auf einen Button oder einen Link, der
irgendwas mit „Download“ zu tun hatte, wurde das
Gewünschte direkt auf den heimischen Rechner geladen.

Direkt!

Das hat sich grundlegend
geändert. Die Internetverbindungen
werden zwar im allgemeinen schneller und günstiger,
aber die Gesamtzeit ändert sich nicht – denn nun ist an dem Download ein
kleines Sternchen. Wenn man nun auf den Knopf klickt kommt eine
Download-Anforderungsseite, die aus einem Formular mit mindestens sieben Feldern
besteht. Hat man sich dort registriert, kann man, wenn man sich baumartig durch
die weiteren Auswahlmenus nach dem passenden Server und der Sprachwahl, dem
Betriebssystem und der bevorzugten Speiseeissorte gearbeitet hat, das Gewünschte
in Nahezu sofortiger Zeit auf den heimischen Rechner übertragen. Super. Zum Glück
gibt es Flatrates. Zum Beispiel zum Schnäppchenpreis von

19,90*

Wie lange noch sind Preise in Supermarkt-Prospekten
noch sternchenfrei? Oh nein; zu spät, einige Grossmärkte weisen
ja bereits die Mehrwertsteuer getrennt aus und werben
mit den Nettopreisen. Natürlich mit Sternchen. Und zumindest
in der Übergangsphase zum Euro finden wir Angebote, die nur halb
so teuer sind wie die Konkurrenz. Das Sternchen verrät: Der Preis
in D-Mark ist 1,95583mal höher.

Warum ist eigentlich nichts einfach so, wie es
beschrieben wird? Ich entwickele eine Sternchenallergie,
die mich bei einem Sternchen schon nicht mehr weiter
recherchieren lässt (von Niessen und Hautausschlag nicht zu
reden), denn hierzu muss man oft genug ins
Kleingedruckte. Und dieses weitet sich weiter aus.
Inzwischen kommen auch private Webseiten nicht mehr ohne
Sternchen aus. Fanseiten haben häufig einen ‚Disclaimer‘, eine
Seite, auf der sich der Verfasser davon distanziert, das Präsentierte
entstamme einer offiziellen Stelle. Das ist natürlich nicht seine
Idee. Doch seit 1998 geht das noch etwas weiter. Die Richter am
Landesgericht Hamburg sehen seitdem in Links eine konkrete Empfehlung,
so dass sich auf so ziemlich jeder seit dieser Zeit aktualisierten
Homepage ein Sternchen findet, dass diesen Punkt anspricht. Auch auf dieser.

Gleich geht es weiter, nach der Produktinformation…*

Aber das Fernsehprogramm ist noch sternchenfrei. Oder
auch nicht – denn wenn der obige Satz fällt, kann man eigentlich
schon direkt umschalten. Denn nach der Werbung kommen ohnehin nur
noch 15 Sekunden Programm, die meistens nur eine kommentierte Version
der Vorschau ist. Andere Sendungen werden direkt nach
Beginn mit einer Werbepause ausgestattet. Dieses sind die Sternchen
der Fernsehsender, denn Beginn und Ende der Sendungen sind ‚geschönt‘.

Der Autor verbleibt mit den besten Grüssen.*

Veröffentlicht unter marcus

Helpensteins Historische Nachrichten III

Lieber Leser, nachdem Du mir jetzt schon durch zwei Kolumnen in diesem
Magazin treu gefolgt bist, möchte ich Dir Alfred Schuler nicht vorenthalten, und
diese Geschichte hat mit Humor nichts zu tun.

Alfred Schuler, geboren 1859, gelangte nicht gerade über Umwege in die neue
Publikation des Wiener Historikers Gerd Gugenheimer: „Hitlers Visionäre. Die
Okkultisten des Dritten Reiches.“ Schuler wird in diesem Buch als besonderer
Spezie vorgestellt. Er nannte sich selber „die Blutleuchte“ und war
selbsternannter Mysterien- und Altertumsforscher. Neben Jörg Lanz von Liebenfeld und
Guido von Liszt gilt Schuler als einer der angesehensten Verrückten, die das
19. Jahrhundert so hervorgebracht hat.

Eine heitere Anekdote ist
beispielsweise Schulers Aufenthalt in Jena in den Jahren 1899-1900. Dort lag nämlich der
große Philosoph Friedrich Nietzsche im Dämmerschlaf seines Wahnsinns. Schuler,
der sich zu dieser Zeit bereits für einen römisch-antiken Aristokraten
hielt, wandte sich an Nietzsches Mutti und bat sie, ihn heilen zu dürfen. Der
bekloppte Alfred hatte geplant, den dahin brabbelnden Denker durch korybantische
Heiltänze und Schamanengesänge zu heilen. Das abstruse Unterfangen konnte nur
nicht durchgeführt werden, weil die verkrachte Existenz Alfred Schulers
nicht die finanziellen Mittel aufbringen konnte, um die zu diesem Zwecke
unbedingt notwendige Kupferrüstung und einen riesigen Sack voller Mistelzweige zu
ordern. Zwei Wahnsinnige in einem Schlafzimmer; und doch kein Erfolgserlebnis.
Drei Monate später war Nietzsche tot, die Welt erschüttert und Alfred Schuler
immer noch ein mieser, kleiner österreichischer Hinterhofesoteriker.

In die
Ewigkeit hat er es nur geschafft, weil ein arbeitsloser Kunstmaler mit
Vierecksschnäuzbart aus dem Männerheim an der Meldemannstraße später seine billigen
Broschüren über die „Theozoologie der Arier“ gelesen hat. Und somit ist
Nietzsche um drei Ecken doch irgendwie Schuld am Unheil des 20. Jahrhunderts –
und Wagner sowieso und Alfred Schuler, ohne dass er davon gewusst hätte, der
Dummbolzen, der elendige.

Im Jahre 1923 starb Schuler, der stets den 1. Mai (das Walpurgisfest) als
seinen Geburtstag und Walhalla und manchmal auch Messina als Location seiner
Herniederkunft angab, hinterließ unzählige uneheliche Kinder, ein paar
Spinner-Bücher und zwei Katzen, welche aber sofort nach seinem Tod geköpft und
einbalsamiert wurden. Die Kadaver sollten Schuler als Grabbeilage dienen, doch die
Münchner Friedhofsbehörden untersagten dieses jämmerliche Schelmenstück, das
das letzte in einer Reihe von Lächerlichkeiten in Schulers Leben werden
sollte. Am Ende siegt bodenständige Beamten-Bürokratie über sakralen Schmuh und
faulen Zauber – genauso lieben wir´s.

Helpensteins historische Nachrichten II

Wie zwei Chronisten den Krieg gegen die Messer beäugten

De Bello Saxonico – „Vom Sachsenkriege“ heißt das Machwerk des
mittelalterlichen Chronisten Bruno de Merseburgensis. Dieser Bruno, aus Merseburg
stammend, beschrieb den Feldzug des Salier-Kaisers Heinrich IV. gegen die Messer.
Denn die alten Germanen nannten ihre Messer und Schwerter „Saxn“ oder „Sachgen“.
Jedenfalls nannte man dann später auch die Sachsen, die ein (oho!)
kriegslüsterndes Völkchen gewesen waren, die Messer, also eben die Sachsen, zu deutsch
so viel wie die Messer´s Leute oder: die Jungs mit den Messern.

Bert Brecht
schrieb später ein Lied zusammen mit Hans Eissler, es heißt: Mack the knive,
der Sachse mit der Macke oder auch: Mackie Messer (Dreigroschenoper, 1928),
nicht zu verwechseln mit Mecky Spaghetti, der Held einer biegsamen
Yps-Heft-Schallplatte, dessen Leibgericht „lange, dünne Nudeln mit Tomatensoße“ waren!

„An nem schönen blauen Morgen liegt ein toter Mensch am Strand
und um die
Ecke geht ein Fremder, als Macky Messer wohlbekannt.“

So oder ähnlich heißt es
in der Brecht´schen Weise.

Na jedenfalls begehrten die Messersachsen gegen
ihren Kaiser und der musste dann gegen sie kämpfen. Das war zwischen 1073 und
1080, ungefähr. Dieser Heinrich wurde auch durch den Bußgang nach Canossa im
Januar 1077 bekannt, aber das gehört nicht hierher.

Nicht nur Bruno, der
kleine drollige Mönch aus Merseburg beschrieb die Heldentaten seines angebeteten
Kaiserburschen sondern auch noch Prinz Poppo von Mainfranken, ein Notar, der
einen solch bescheuerten Namen besitzt, dass selbst der Pubertät längst schon
entwachsene Historiker große Mühe damit haben, ihren Stuhldrang vor lauter
Lachen nicht völlig hemmungslos in ihre Grob-Cord-Buntfaltenhose zu entlassen.
Und wer glaubt, ich hätte diese Namen erfunden, der sei bitterst gerügt von
mir und schäme sich ob einer solchen Dreistheit, mich der historischen
Unwahrheit zu beschuldigen. Man kann alles nachlesen.

Poppo und Bruno ritten auf ihren Mauleseln immer hinter Heinrich her und
schrieben alles auf, was sich ihren Äuglein bot. Die Messer wurden immer wieder
geschlagen aber nie besiegt, bis Heinrich schließlich ihren Anführer
Messer-Jockel (wer könnte sich nicht an Messer-Jockel und Blutswendte erinnern, die
beiden hässlichen Sachsenanführer aus dem schwedischen Kinderbuch „Poppo
Langstrumpf“ von Astrid Lindgren?) gefangen nahm, ihm die rechte Hand abhieb und
so das Messervölkchen zur Ruhe brachte.

Hätte der Salier nur gewusst, was er damals anrichtete! Heute sind die
Sachsen weder aufmüpfig noch aggressiv. Sie lümmeln sich in millionenschwerer
Heerschar vor dem Fernseher als Arbeitslose und Wiedervereinigungsbetrogene und
kratzen sich durch ihre Fliegerseiden-Jogginghose am Sack, manchmal rufen sie
„Da kommt er!“ und sitzen dabei vor einer roten Plastik-Windmühle. Dann kommt
Bruno auf einem Maulesel und bringt Rügenwälder Teewürste mit, welche dann
von den arbeitslosen Sachsen mit frischem Brot und Radebeuler Pilsener
verspeist werden. Eine wahre Schande ist das!