Der letzte Tango mit Tom Hanks

Jüngst verschlug es mich mal wieder auf einen der surrealsten
Orte unserer schönen neuen Hauptstadt, gemeint ist hiermit der
Potsdamer Platz.

Wieso surreal?

Nun ja, dieser ganze Komplex hat den Geschmack von im Wasser
gequollenen Gummibärchen: zu groß, sehr glasig, und
müffelt unecht. Unecht ist ein Wort, das ich hier großschreiben
möchte. UNECHT, so ist dieser Platz, unecht die Menschen dort,
unecht die Stimmung.

Um zu veranschaulichen was ich meine, stellen sie sich eine
Umgebung vor, in der die Werbung das reale Leben ist und das reale
Leben stört wie ein Abszeß. Ich setzte mich hier zwar nie
in ein Bistro (wichtig Bistro, nicht Café oder Kneipe) aber
ich meine, die wohlgekleideten Menschen mit den grotesken
Designeruhren und der Wellafrisur bis hier hin verstehen zu können.

Da sitzen zum Beispiel Petra und Heike, beide etwa 27, Typ
erfolgreiche Chefsekretärin und angehende Anwältin und
versuchen sich lautstark zu übertönen, wer sich nun mit
seiner Tamponmarke viel natürlicher und freier bewegen kann,
selbst Sunnyboy Jan, der flugs herangeeilt kommt, um die beiden mit
einer extra Extraportion Milch ruhig zu stellen, kann nicht
verhindern, dass sie anfangen, akrobatische Turnübungen zu
vollziehen.

Da sind Vater und Sohn, die sich am Nachbartisch gerade darüber
unterhalten haben, wie wichtig eine Nasenversicherung heutzutage
ist, doch ein wenig überrascht, überraschter noch werden
sie sein, wenn sie entdecken, daß der Kellner in echt Herr
Kaiser auf Kundenfang ist…

Angewidert wende ich mich ab und bemitleide einfach ein wenig
einen Baum, der sein bedauernswertes Leben im Durchgang zum
Sonycenter, umfaßt von Marmorplatten fristen muß. Aber
huch, da ist sie auch schon, die Potsdamer-Platz-Fröhlichkeitswache
und sackt mich ein, klar, mit meinem traurigen Gesicht könnte
ich die Kauffreudigkeit der Konsumkäuer herabsetzen. Doch ich
kann den Handschellen von Swatch entrinnen, indem ich einen
undefinierbaren Schwall von Werbeslogans loslasse, irgend etwas muß
die Ordnungshüter angesprochen haben, denn sie rasen wie von der
Tarantel gestochen in Richtung der Kinos. Fast wehmütig bemerke
ich, daß dies ihr Ende sein wird. Niemals werden sie sich bei
all diesen Kinos entscheiden können und eines Tages morgens
entkräftet mit den letzten Worten „Bruce Willis und Tom
Hanks in einer atemberaubenden Komödie“ von der C- Düse
in den Gully gespült werden. Ich werfe einen letzten kurzen
Blick auf die beeindruckende Herde freilaufender 14jähriger
Mädchen, auch Gibbler genannt, vor dem Musicaltheater, bevor der
Glöckner ihre Hirne schlachten wird.

Mich überkommt eine kleine Übelkeit und als ich den
Platz verlasse, hinterlasse ich in einem der Behälter für
materielle Wohlstandsrückstände einige einsame organische
Komponenten.